Frage an Hans-Peter Friedrich von Maximilian D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Hr. Friedrich,
während Ihrer Amtszeit trafen Deutschland die zwei größten innenpolitsichen Skandale seit der Wiedervereinigung: das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden um die NSU und die Spähaktionen der NSA.
Beide Dinge fallen ihr Ressort. Leider kann die Bevölkerung keine sichtbaren Erkenntnisse und Konsequenzen aus diesen Skandalen erkennen.
Von einer Reise nach Washington, um die massive Verletzung von Bürgerrechten deutscher Bürgerinnen und Bürgern aufzuklären, kehrten Sie mit leeren Händen zurück.
Deshalb meine Frage, welche Konsequenzen das Innenministerium aus diesen Skandalen gezogen hat und ob von der neuen Bundesregierung umfassende Aufklärungsarbeit und Konsequenzen bezüglich dem Schutz vor rechtem Terror und Schutz vor dem Missbrauch und Auspionieren deutscher Daten, zu erwarten ist.
Bezüglich des Ausspionierens der NSA kleidet sich die Bundesregierung in Schweigen. Hierbei drängt sich für viele Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck auf, dass es überhaupt nicht erwünscht ist, das dieser Skandal aufgeklärt wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Maximilian Dietrich
Sehr geehrter Herr Dietrich,
die Aufdeckung der NSU-Mordserie im November 2011 hat in der Tat eine neue Dimension rechter Gewalt in Deutschland sichtbar werden lassen, die wenige bis dahin für möglich erachtet hatten: Eine rechtsterroristische Gruppierung, die sich als „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ bezeichnete, hat 13 Jahre untergetaucht in Deutschland leben können und in dieser Zeit bundesweit zehn Morde begangen, zwei Sprengstoffanschläge verübt sowie sich ihren Lebensunterhalt durch zahlreiche Banküberfälle finanziert. Deshalb übernahm die Bundesanwaltschaft (GBA) am 11. November 2011 Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) und anderer Straftaten und beauftragte das BKA mit der Wahrnehmung der polizeilichen Ermittlungen. Der intensiven Ermittlungsarbeit ist es zu verdanken, dass am 8. November 2012 vor dem Staatsschutzsenat des OLG München Anklage gegen das mutmaßliche Mitglied des „NSU“ Beate Zschäpe sowie vier mutmaßliche Unterstützer und Gehilfen des „NSU“ erhoben werden konnte. Das seit Mai andauernde Strafverfahren vor dem OLG München wird hoffentlich dazu beitragen, das Geschehen um den NSU und die zahlreichen Straftaten seiner Mitglieder weiter aufzuklären und die Verantwortlichen einer gerechten Bestrafung zuzuführen.
Auch wenn noch nicht vollständig geklärt ist, wieso die Mitglieder des NSU über dreizehn Jahre abtauchen und unentdeckt schwerste Verbrechen begehen konnte, sind bereits Ende November 2011 Maßnahmen auch zur organisatorischen und strukturellen Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus eingeleitet worden, so u.a. durch:
- Errichtung des Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus von Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz, an dem auch die Länder beteiligt sind und das in das im letzten November gegründete phänomenübergreifende Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) integriert wurde,
- Einrichtung einer gemeinsamen Rechtsextremismusdatei (RED) von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten in Bund und Ländern sowie
- weitere Maßnahmen zur verbesserten koordinierten Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung intensiv die Aufklärungsarbeit des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages unterstützt. Der Bericht des Untersuchungsausschusses, der am 22. August 2013 vorgelegt wurde, enthält eine umfassende Aufbereitung der Umstände, unter denen das NSU-Trio seinerzeit „abtauchte“ und untersucht die Mängel der behördlichen Arbeit bei der Fahndung nach dem Trio und der Aufklärung der seinerzeit sog. Ceska-Mordserie. Hierbei haben sich Anhaltspunkte für Mängel behördlicher Kooperation und Fehleinschätzungen von Beteiligten ergeben. Der Untersuchungsausschuss fand jedoch keine Anhaltspunkte, die den Vorwurf stützen könnten, dass die Sicherheitsbehörden „auf dem rechten Auge blind gewesen seien“, oder absichtlich Ermittlungen in eine falsche Richtung gelenkt hätten.
Die Bundesregierung wird gemeinsam mit den Ländern aus den Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses und aus dem Bericht, den die eigens eingesetzte Bund-Länder-Expertenkommission Rechtsterrorismus erarbeitet hat, weitere Schlussfolgerungen ziehen, um die noch vorhandenen Schwachstellen in unserer Sicherheitsarchitektur zu beseitigen.
Ich kann Ihnen daher versichern, dass die Bundesregierung alles getan hat und alles tun wird, damit sich Vergleichbares nicht wiederholt und damit alle in Deutschland sicher leben können - zumal sich Deutschland - schon aufgrund seiner Geschichte - in besonderer Weise verpflichtet sieht, fremdenfeindliche und rassistische Straftaten zu bekämpfen.
Auch Ihre Sorge vor unzulässigen Grundrechtseingriffen kann ich nachvollziehen, die in der gegenwärtigen Situation von vielen Bürgern geteilt wird. Ihrer Wahrnehmung, es gebe bislang keine sichtbaren Erkenntnisse und Konsequenzen, widerspreche ich dagegen auch in diesem Zusammenhang.
Die Bundesregierung hat schon im Juni dieses Jahres, also unmittelbar nach den ersten Medienberichten auf Basis von Dokumenten aus dem Fundus Edward Snowdens zu Aktivitäten US-amerikanischer Nachrichtendienste, mit ihrer Sachverhaltsaufklärung begonnen und führt diesen Prozess angesichts weiterer neuer Veröffentlichungen auch in jüngster Vergangenheit intensiv fort. Neben der Analyse der Dokumente und Prüfung der Vorwürfe durch die zuständigen Behörden ist die Bundesregierung hierbei wesentlich auf den Austausch mit ihren ausländischen Partnern angewiesen, mit denen sie sowohl auf politischer als auch auf Expertenebene in engem Kontakt steht. Die von den USA zugesagte und zwischenzeitlich eingeleitete sukzessive „Deklassifizierung“ vormals geheim eingestufter Dokumente ist aus meiner Sicht der richtige Weg, um die notwendige Transparenz herzustellen. Dieses Verfahren wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Bundesregierung hat überdies bereits im Juli mit einem Acht-Punkte-Programm zum besseren Schutz der Privatsphäre ( http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2013/07/2013-07-19-bkin-nsa-sommerpk.html ) politisch reagiert und in diesem Programm seitdem deutliche Fortschritte erzielt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB