Frage an Hans-Peter Friedrich von Frank E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Hr. Friedrich
Grundrechte der Bürger unseres Landes?
So wie die Parlamentsdebatte gestern geführt wurde habe ich als Bürger nicht das Gefühl meine Regierung will aufklären.
Hat G. mit seinen Bemerkungen zum Besatzungsrecht etwa eine Erklärung geliefert?
Bitte um öffentliche Aufklärung / Information zum Stand des Rechtsstatus gegenüber den "Westmächten".
Vielen Dank
Sehr geehrter Herr Eisfelder,
vielen Dank für Ihre Anfrage, mit der sie auf die Plenardebatte am 18. November 2013 Bezug nehmen und um eine Aufklärung des Rechtsstatus Deutschlands im Verhältnis zu den sog. drei Westmächten bitten.
Der Abgeordnete Gysi hat in seinem Redebeitrag ausgeführt, dass bei den Verhandlungen von Bundeskanzler Adenauer mit den Westalliierten in den 1950er Jahren Zug um Zug gegen die Aufhebung des Besatzungsstatuts Geheimverträge mit den USA geschlossen worden seien, die diesen vergleichbare Rechte eingeräumt hätten. Er habe naiverweise erwartet, dass auch diese Verträge im Zuge der Zwei-plus-Vier-Gespräche aufgehoben worden seien. Sie seien aber nicht aufgehoben worden, weil nämlich nur Abkommen mit allen vier Mächten aufgehoben worden seien, nicht aber Abkommen mit drei Mächten, mit zwei Mächten oder nur mit einer Macht. Damit sei zwar alles, was mit den Russen und den anderen Mächten gemeinsam vereinbart worden war, heraus gewesen, aber der Rest sei geblieben. Und dann gebe es auch noch das Aufenthaltsabkommen und das NATO-Truppenstatut . Auch hier hätten die USA Rechte, die fast an die Besatzungszeit erinnerten (BT-Plenarprotokoll, 2. Sitzung vom 18. November 2013, S. 49).
Diese Darstellung in dem Redebeitrag gibt die Rechtslage nicht zutreffend wieder.
In dem sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 (BGBl. 1990 II, S. 1317) haben vielmehr die Französische Republik, das Vereinigte Königeich Großbritannien und Nordirland, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Vereinigten Staaten von Amerika auf die besonderen Rechte und Verantwortlichkeiten, die sie bei Kriegsende für Deutschland als Ganzes übernommen hatten, verzichtet. Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten (Artikel 7 Zwei-plus-Vier-Vertrag).
Bereits durch den im Rahmen der sog. Pariser Verträge am 5. Mai 1955 in Kraft getretenen Deutschlandvertrag (Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952 in der Fassung vom 23. Oktober 1954) war das sog. Besatzungsstatut in Westdeutschland beendet und der Bundesrepublik Deutschland vorbehaltlich der in diesem Vertrag noch vorbehaltenen Rechte die volle Macht über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten zuerkannt worden (Artikel 1 Absatz 1 Deutschlandvertrag). Von den Drei Mächten vorbehalten worden waren lediglich die bisher ausgeübten oder innegehabten Rechte in Bezug auf die Stationierung von Streitkräften in Deutschland und den Schutz von deren Sicherheit, Berlin und Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung und einer friedensvertraglichen Regelung (Artikel 2 Absatz 1 Deutschlandvertrag). Diese im Deutschlandvertrag von den Drei Mächten (als Teil der ehemaligen Vier Mächte) noch vorbehaltenen Rechte sind dann mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag abgelöst worden, so dass die Bundesrepublik Deutschland seither tatsächlich keinen besatzungsrechtlichen Einschränkungen seiner Souveränität mehr unterliegt. Es kann daher keine Rede davon sein, dass Deutschland nach wie vor unter Besatzungshoheit oder damit vergleichbarer alliierter Vorbehaltsrechte stünde.
Die von der Bundesrepublik Deutschland gerade in Ausübung ihrer staatlichen Souveränität geschlossenen internationalen Abkommen und bilateralen Vereinbarungen, darunter auch das NATO-Truppenstatut und die in diesem Zusammenhang getroffenen Zusatzvereinbarungen, sind im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung selbstverständlich nicht aufgehoben worden. Dies mögen der Abgeordnete Gysi und seine Fraktion politisch bedauern, nicht aber als vermeintlichen Beleg für einen Fortbestand alliierter Besatzungsrechte anführen.
Die im NATO-Truppenstatut und den hierzu geschlossenen Zusatzvereinbarungen getroffenen Regelungen zur Achtung des deutschen Rechts waren im Übrigen auch Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage in der letzten Wahlperiode, die von Bundesregierung wie folgt beantwortet wurde:
„Das Zusatzabkommen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 Il S. 1183,1218) zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen ergänzt das NATO-Truppenstatut. Nach Artikel II des NATO-Truppenstatuts sind US-Streitkräfte in Deutschland verpflichtet, das deutsche Recht zu achten. Nach Artikel 53 Absatz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut dürfen die US- Streitkräfte auf ihnen zur ausschließlichen Benutzung überlassenen Liegenschaften die zur befriedigenden Erfüllung ihrer Verteidigungspflichten erforderlichen Maßnahmen treffen. Für die Benutzung der Liegenschaften gilt aber stets deutsches Recht, soweit Auswirkungen auf Rechte Dritter vorhersehbar sind. Die US-Streitkräfte können Fernmeldeanlagen und -dienste errichten, betreiben und unterhalten, soweit dies für militärische Zwecke erforderlich ist (Artikel 60 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut). Nach Artikel 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut arbeiten deutsche Behörden und Truppenbehörden bei der Durchführung des NATO-Truppenstatuts nebst Zusatzabkommen eng zusammen. Die Zusammenarbeit dient insbesondere der Förderung und Wahrung der Sicherheit Deutschlands, der Entsendestaaten und der Truppen. Sie erstreckt sich auch auf Sammlung, Austausch und Schutz aller Nachrichten, die für diese Zwecke von Bedeutung sind. Zur Erfüllung dieser Pflicht kann das Bundesamt für Verfassungsschutz nach § 19 Absatz 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz) personenbezogene Daten an Dienst- stellen der Stationierungsstreitkräfte übermitteln. Auch Artikel 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut ermächtigt die USA aber entgegen Pressemeldungen nicht, in das Post- und Fernmeldegeheimnis einzugreifen. Nach Artikel II des NATO-Truppenstatuts ist deutsches Recht zu achten. Die Verwaltungsvereinbarung mit den Vereinigten Staaten von Amerika zum Artikel 10-Gesetz aus dem Jahr 1968 wurde am 2. August 2013 im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben. Seit der Wiedervereinigung 1990 war von ihr kein Gebrauch mehr gemacht worden. Soweit es alliierte Vorbehaltsrechte gegeben hat, sind diese mit der Vereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 ausgesetzt und mit Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 15. März 1991 ausnahmslos beendet worden.“ (BT-Drs. 17/4560, S. 10 f.).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB
Bundesminister des Innern