Frage an Hans-Peter Friedrich von Nick W. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Friedrich,
im Zuge der NSA-Affäre wurde zunächst von den USA behauptet, dass durch die geheimen Abhörprogramme über 50 Terroranschläge vereitelt werden konnten. Diese Aussage wurde auch von Ihnen zur Rechtfertigung dieser Maßnahmen aufgegriffen. Nun hat sich herausgestellt, dass diese Behauptung unwahr ist. Der Direktor der NSA, Keith B. Alexander, hat laut Washington Times zugegeben, dass "nur einer oder vielleicht zwei" Anschläge verhindert wurden:
http://www.washingtontimes.com/news/2013/oct/2/nsa-chief-figures-foiled-terror-plots-misleading/
Diese offensichtliche Lüge eines NSA-Direktors fügt sich in eine Reihe weiterer unwahrer Aussagen ein, ist meines Erachtens jedoch eine der unverschämtesten. Nun meine Fragen:
Hat dieser Vorfall Einfluss darauf, für wie vertrauenswürdig Sie die Führung der NSA halten? Sind Sie der Meinung, dass das deutsche Volk auch von Seiten der Politik deutlich darauf hingewiesen werden soll, dass deutsche Politiker von den USA belogen wurden, und die Rechtfertigung für die Spionageprogramme auf weit wackligeren Füßen steht als bisher angenommen?
Ändert die Tatsache, dass nur ein oder maximal zwei Anschläge weltweit durch die Abhörprogramme der NSA verhindert wurden, ihre Einschätzung, ob diese Programme verhältnismäßig sind?
Sehr geehrter Herr Wellnhofer,
der internationalen Zusammenarbeit unserer Sicherheitsbehörden - auch mit ihren US-amerikanischen Partnern - messe ich eine ganz zentrale Bedeutung bei. Dabei ist die strikte Einhaltung der gesetzlichen Regelungen selbstverständlich obligatorisch, ebenso zwingend ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Der Auswertung von Kommunikationsströmen kommt eine wichtige Rolle in der Terrorismusbekämpfung zu. Ein herausragendes Charakteristikum terroristischer Netzwerke ist, dass weder ihr Ruhe- und Rückzugsraum noch ihre eigentlichen Operationsgebiete, also die Länder in denen Anschläge verübt werden, auf einzelne Nationalstaaten begrenzt werden können. Vielmehr erstrecken sie sich über Kontinente und Ländergrenzen hinweg, interagieren miteinander und stellen die Sicherheitsbehörden damit vor große Herausforderungen.
Soweit sich die von Ihnen aufgeworfenen Fragen auf die Verhinderung von Terroranschlägen beziehen, gehört es zu den Kernaufgaben staatlichen Handelns, die Gefährdung von Menschen durch terroristische Anschläge zu verhindern. Nur durch rechtzeitige Kenntniserlangung ist es Sicherheitsbehörden möglich, Aktionen und damit den Kausalverlauf hin zu einem Anschlag frühzeitig zu unterbrechen. Hierbei kommt den in Rede stehenden Maßnahmen eine zentrale Bedeutung zu, die sich nicht auf einige wenige Anschläge beschränkt. Auch halte ich es nicht für richtig, von „nur ein oder zwei Anschlägen“ zu sprechen. Denken Sie allein an das unermessliche Leid, das terroristische Anschläge in Boston oder Madrid ausgelöst haben.
An Spekulationen über Mengengerüste - gerade dann, wenn es wie in dem Zeitungsartikel, den Sie anführen, um Zahlen mit USA-internem Bezug geht - kann und will ich mich daher nicht beteiligen.
Die Bundesregierung hat unmittelbar nach den ersten Medienveröffentlichungen zu angeblichen Überwachungsprogrammen der US-Nachrichtendienste mit der Aufklärung des Sachverhalts begonnen. Nach den uns jetzt vorliegenden Informationen habe ich keine Veranlassung, an der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahmen zu zweifeln. Sie stehen unserer Kenntnis nach im Einklang mit US-amerikanischem und, soweit relevant, offensichtlich auch mit deutschem Recht. Entgegen der Mediendarstellung zu PRISM und weiteren Programmen wird Kommunikation über das Internet gerade nicht anlasslos und flächendeckend aufgezeichnet. Es geht ausschließlich um die gezielte Erfassung der Kommunikation Verdächtiger in Bereichen schwerster Straftaten wie Terrorismus, Organisierte Kriminalität und Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Ferner haben uns die USA mittlerweile im Detail verschiedene innerbehördliche, gerichtliche und parlamentarische Kontroll- und Aufsichtsmechanismen der dortigen nachrichtendienstlichen Überwachungsprogramme dargelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB
Bundesminister des Innern