Frage an Hans-Peter Friedrich von Thomas S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Hans- Friedrich!
im Focus war heute -09.09.13 Liveticker Syrienkrise ein Artikel um 01:22Uhr mit folgenden abgek. Inhalt eingestellt worden-
"Nur Schweden hat angekündigt, auf unbestimmte Zeit allen Asylanträgen von syrischen Flüchtlingen stattzugeben."
Schon heute kommen sehr viele Flüchtlinge u.a. über die Österreichische Grenze nach Deutschland. Die Mehrzahl dieser Menschen hat keine Papiere oder Visa, somit sind diese unerlaubt eingereist und werden angezeigt. Wenn Schweden nun allen syrischen Flüchtlingen Asyl gewähren möchte, werden noch mehr von Italien nach Schweden reisen, siehe diverse Zeitungsartikel.
Warum verzichtet Deutschland nicht auf die Beanzeigung dieser Menschen und entlastet somit seine Bundes- und Landesbeamten, welche andere Aufgaben wahrnehmen könnten?
Wieviel dieser Anzeigen wurden von den Gerichten nicht eingestellt?
Was unternimmt Deutschland das z.B. Italien Hilfe bei der Flüchtlingsproblematik erhält?
Mit freundlichen Grüßen!
Th. Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Anfragen.
Die Einreise eines ausländischen Staatsangehörigen in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz nicht besitzt, oder nicht über den erforderlichen Aufenthaltstitel verfügt (§ 4 AufenthG) oder wegen eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht einreisen darf (§ 11 Abs. 1 AufenthG), es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis. Die unerlaubte Einreise bzw. der Versuch der unerlaubten Einreise stellt eine Straftat dar (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG i.V.m. § 95 Abs. 3 AufenthG). Die Bundespolizei unterliegt insoweit dem sog. Legalitätsprinzip. Sie hat gem. § 163 StPO Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um eine Verdunkelung der Sache zu verhindern. Würden die Polizeibeamten diese Straftaten nicht verfolgen, würden sie selbst eine Straftat begehen (Strafvereitelung im Amt gem. § 258 StGB). Insofern darf die Polizei bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes einer Straftat (§ 152 StPO) nicht auf eine Anzeige verzichten. Die Einstellungspraxis der Gerichte ist sehr unterschiedlich und vom Einzelfall abhängig. Nähere Angaben liegen uns hierzu nicht vor.
Im übrigen gehört Deutschland zu den Ländern, die sich besonders stark für den Schutz der syrischen Flüchtlinge engagieren. Seit 2011 haben mehr als 18.000 syrische Staatsangehörige einen Asylantrag in Deutschland gestellt, davon allein 6.500 in den ersten acht Monaten 2013. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewährt syrischen Staatsangehörigen im Rahmen des Asylverfahrens zumindest subsidiären Schutz. Zudem werden bereits seit Ende April 2011 bundesweit keine Personen mehr nach Syrien abgeschoben. Derzeit leben etwa 48.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland. Etwa 32.000 von ihnen haben ein Asylverfahren durchlaufen oder befinden sich derzeit noch in einem derartigen Verfahren. Jeden Monat gibt es ca. 1000 neue Asylanträge. Der Eindruck, dass Italien von den übrigen Mitgliedstaaten mit dem Flüchtlingsproblem alleine gelassen wird, täuscht. Nach den Daten des europäischen Statistikamtes EUROSTAT haben Deutschland und Schweden ca. zwei Drittel aller syrischen Staatsangehörigen aufgenommen, die in der EU Schutz gesucht haben.
Zusätzlich zu der Schutzgewährung im Rahmen des Asylverfahrens hat Deutschland zudem ein Programm zur Aufnahme von 5.000 besonders schutzbedürftigen syrischen Flüchtlingen aufgelegt, die in die Nachbarländer Syriens geflohen sind. Darüber hinaus haben eine Reihe von Bundesländern Programme zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge aufgelegt, die Verwandte in Deutschland haben. Deutschland trägt damit seiner humanitären Verantwortung
umfassend Rechnung.
Nach den erhöhten Asylbewerberzahlen für Italien in 2011 infolge des Arabischen Frühlings sind die Zugänge in 2012 um die Hälfte auf rd. 17.000 zurückgegangen. Für die Monate Januar bis August 2013 geht Italien von rd. 21.000 Asylbewerbern aus. Damit sind zwar die absoluten Zugangszahlen im Vergleich zu 2012 gestiegenen. Bei den relativen Belastungszahlen (Asylbewerber pro 1 Mio. Einwohner) liegt Italien bei einer Bevölkerung von rd. 60 Mio. Einwohnern weiter nur im Mittelfeld (2012: 260 Personen; EU-Durchschnitt: 660). Die absoluten und relativen Asylbewerberzahlen liegen in Deutschland weit höher: 2012: 77.500 Personen (relativ: 945 Personen) und Januar bis August 2013: Schon über 78.500 Personen.
Nach den Grundsätzen der Europäischen Union ist zunächst einmal jeder Mitgliedstaat selbst für seine „Flüchtlingsproblematik“ verantwortlich, jedoch greifen auch solidarische Maßnahmen, die von allen Mitgliedstaaten (wenn auch ggf. nur indirekt) getragen werden. So hat Italien für die Jahre 2007 bis 2011 aus Mittel der Europäischen Union für die Bereiche Flüchtlinge, Integration, Rückkehr und Außengrenzen rd. 238 Mio. € erhalten. Für die Jahre 2012 und 2013 kommen noch einmal 102 Mio. € hinzu. Des weiteren hat Italien in diesem Jahr mit dem Europäischen Unterstützungsbüro in Asylfragen (EASO) eine Vereinbarung über spezielle Unterstützungsleistungen bei der Umsetzung seines Asylsystems getroffen. Bilateral stehen deutsche und italienische Asylbehörden in einem engen fachlichen Austausch.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB
Bundesminister des Innern