Frage an Hans-Peter Friedrich von Marc B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Friedrich,
was sagen Sie zu den Enthüllungen des Historikers Foschepoth*, der schreibt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit den USA bis heute ein in Vertragsrecht überführtes Besatzungsrecht unterhält, was u.a. der NSA die Bespitzelung der BRD offiziell erlaubt?
Wie kann es sein, dass ein souveräner Staat es duldet, von anderen Staaten geheimdienstlich ausgespäht zu werden?
Wussten Sie von der Existenz entsprechender Verträge?
Ist das der Grund, warum Frau Merkel die massive Überwachung durch die USA als Lappalie ("Neuland") abtut?
Sehr geehrter Herr Buchen,
vielen Dank für Ihre Frage.
Nach 1945 haben zunächst die Besatzungsmächte auf Grund des Besatzungsrechts und nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland die Drei Westmächte auf Grund des - gegenüber dem nationalen Recht der Bundesrepublik Deutschland vorrangigen - Besatzungsstatuts den Brief-, Post- und Fernmeldeverkehr überwacht. Auch nach der Herstellung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland am 5. Mai 1955 behielten sich die Drei Mächte die Ausübung dieser Rechte vor. Allerdings erklärten sie, dass die Vorbehaltsrechte erlöschen sollten, "sobald die zuständigen deutschen Behörden entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben" (Art. 5 Abs. 2 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten - Deutschlandvertrag - vom 26. Mai 1952 in der Fassung vom 23. Oktober 1954, vgl. BVerfGE 30, 1, 4).
Mit dem Ziel, die alliierten Vorbehaltsrechte abzulösen, wurde Art. 10 GG durch das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 (BGBl. I S. 709) in der Weise geändert, dass unter bestimmten Voraussetzungen Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses auch ohne Bekanntgabe an den Betroffenen und unter Ausschluss des Rechtswegs vorgenommen werden dürfen.
Verwaltungsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien vom 28. Oktober 1968, mit Frankreich vom Herbst 1969 sowie entsprechend mit den USA je bezüglich Artikel 10 des Grundgesetzes gelten fort, wonach Behörden jener Staaten je den Bundesnachrichtendienst oder das Bundesamt für Verfassungsschutz um Überwachungen des Brief-, Post- oder Fernmeldeverkehrs in der Deutschland ersuchen dürfen und diese dann entsprechende Anträge im eigenen Namen zu stellen haben. Die genannten Verwaltungsvereinbarungen aus den Jahren 1968/1969 sind also zwar noch in Kraft, haben jedoch faktisch keine Bedeutung mehr. So sind seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 in der Praxis des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes keine entsprechenden Ersuchen der drei Westalliierten mehr gestellt worden (vgl. BT-Drs. 17/11787, S. 19).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB