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Hans-Peter Friedrich
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Frage von Claudiac J. •

Frage an Hans-Peter Friedrich von Claudiac J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Friedrich,

Vielen Dank für die Antwort auf meine Frage , die Sie mir durch Ihre Mitarbeiterin Frau Kathrin Haße zukommen ließen. Ich habe große Hochachtung vor jedem Abgeordneten, der die Fragen auf AW zeitnah und sachlich beantwortet. Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich dennoch mit der Antwort nicht zufrieden bin. Das laufende Gerichtsverfahren der sächsischen Justiz im Zusammenhang mit der Blockade eines Neonazi-Aufmarsches am 13. Februar 2010 in Dresden war nicht Gegenstand meiner Frage, sondern Anlaß. Wieso ist selbstverständlich, das Zivilcourage Grenzen gesetzt sind? Wenn das so ist, haben wir wohl eine gegensätzlich Definition von Zivilcourage. Meine Fragen zielten konkret auf Zivilcourage gegen Neonaziaufmärsche, die lt. Bundesverfassungsgericht problemlos verboten werden können und müssen: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2009-11/nazi-rechtsprechung Der 13. Februar in Dresden ist vergleichbar symbolträchtig, wie der Todestag von Rudolf Hess. Ist es nicht unverantwortlich, auch angesichts des NSU-Skandals, solche Aufmärsche trotzdem zu genehmigen? Wieso werden solche Situationen nicht von vornherein unterbunden? Wird nicht bei solchen Entscheidungen staatlicher Institutionen für den Bürger der Widerstand zur Pflicht? Und wenn dann nicht der Nazi, sondern der friedlich Widerstand leistende Bürger wie ein Krimineller vor Gericht gezerrt wird, hört da nicht irgendwo der Spaß auf? Ist da nicht die Frage erlaubt, auf welcher Seite Staat und Justiz eigentlich stehen? Hat der Bürger nicht Anspruch auf eine eindeutige Positionierung seiner gewählten Politiker zu diesem Thema? Genau diese hätte ich nämlich gerne von meinem Innenminister. Entschuldigen Sie meine Emotionen, aber dieses Thema ist zu arg.

Mit freundlichen Grüßen
Claudia Jurjanz

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Jurjanz,

ich danke Ihnen für Ihr erneutes Schreiben an Herrn Bundesminister Dr. Friedrich anlässlich des Neonazi-Aufmarsches vom 12. Februar 2010.

Verständlicherweise empfinden viele Bürger und Politiker solche Aufmärsche von Neonazis als Provokation. Dennoch ist eine Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in unserer Demokratie, dass die Gesetze auch bei Demonstrationen gegen Neonazis eingehalten werden.

Das von Ihnen zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) kann keineswegs dahingehend verstanden werden, dass Neonazi-Aufmärsche problemlos verboten werden können. Das Urteil beschäftigt sich mit der juristisch umstrittenen Frage der Verfassungsmäßigkeit des Volksverhetzungsparagrafens (§ 130 Abs. 4 StGB). Das BVerfG erklärt den Paragrafen für verfassungsgemäß und hält es deshalb grundsätzlich für zulässig, eine Versammlung unter Bezugnahme auf diese Norm zu verbieten.

Entscheidend für das Verbot einer Versammlung ist jedoch, dass im Einzelfall eine konkrete Gefahr der Verwirklichung von Straftaten - wie z.B. § 130 Abs. 4 StGB - besteht. In dem vom BVerfG zu entschiedenen Fall wurde eine solche konkrete Gefahr angenommen. Der Straftatbestand des § 130 Abs.4 StGB kann danach schon in Form einer glorifizierenden Ehrung einer historischen Person verwirklicht werden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass diese als Symbolfigur für die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft steht.

Ein Verbot von Neonazi-Aufmärschen ist jedoch weiterhin einzelfallbezogen zu prüfen. Die Annahme einer konkreten Gefahr der Verwirklichung von Straftatbeständen bedarf einer genauen Prüfung der konkreten Umstände der geplanten Demonstration.

Insbesondere müssen die Verwaltungsbehörden und Gerichte bei der Entscheidung, ob eine Demonstration verboten wird, das - auch für Neonazis geltende - Recht aus Art. 8 Grundgesetz, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, berücksichtigen.

Die Anforderungen an das Verbot einer Versammlung sind im Allgemeinen - aber genauso auch im Besonderen bei Neonazi-Versammlungen - zu Recht sehr hoch.

Die Stärke eines Rechtsstaates zeigt sich auch darin, dass er den Umgang mit seinen Gegnern rechtsstaatlichen Grundsätzen unterwirft.

Gerade aufgrund dieser hohen Anforderungen ist bei Neonazi-Aufmärschen die Zivilcourage der Bürgerinnen und Bürger gefragt. Durch Gegendemonstrationen kann zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die absolute Mehrheit der Bevölkerung politisch von den Neonazis distanziert. Auch die Gegendemonstranten müssen dabei jedoch die den Demonstranten durch die Verfassung eingeräumten Rechte achten und sich selbst an die Gesetze halten. Insbesondere ist es nach dem Versammlungsrecht strafbar, eine nichtverbotene Versammlung zu sprengen oder sonst zu vereiteln (siehe z.B. § 22 des Sächsischen Versammlungsgesetzes vom 25. Januar 2012).

Wenn Zivilcourage sich nicht im Rahmen der geltenden Rechtsordnung bewegt, so besteht die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Zivilcourage und Selbstjustiz verwischen.

Mit freundlichen Grüßen

i. A. Kathrin Haße

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