Frage an Hans-Peter Friedrich von Helmut E. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Innenminister Dr. Friedrich!
Laut BILD-Zeitung, Online-Version vom 28.9,2012, Überschrift: "Rassist greift einen jüdischen Vater in Berlin an", ist der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, nach einer religiösen Veranstaltung, am jüdischen Versöhnungsfest, Mi., 26.9.2012, in Berlin-Charlottenburg, von einem mutmasslichen 30-jährigen Hass-Täter, in Anwesenheit von zwei minderjährigen Töchtern (8 und 10 Jahre, Strafverschärfungsgrund!) antisemitisch beschimpft und bedroht worden.
Ausserdem soll es zu Widerstandshandlungen des Hass-Täters gegen herbeigerufene Polizei-Beamte sowie danach auch noch zu einer Falschen Verdächtigung (§164 StGB) gegen das Opfer (dreiste "Täter-Opfer-Umkehr"!) durch den rassistischen Hass-Täter gekommen sein.
(Der BILD-Artikel ist im Internet zu finden, durch Eingabe der Such-Wörter: bild.de, Rassist greift einen jüdischen Vater in Berlin an).
Zu diesem Vorfall wird an Sie hiermit die nachfolgende Frage gestellt:
Was muss in Deutschland im sogenannten "Kampf der wehrhaften Demokratie gegen deren extremistische Verfassungs-Feinde aller Art" von der Zivil-Gesellschaft und den staatlichen Behörden noch verbessert werden, damit die Fallzahlen im Bereich "Politisch Motivierte Kriminalität (=PMK) deutlicher als bisher "nach unten gehen"?
Mit bestem Dank im voraus für Ihre schnelle Antwort und besten Grüssen
Helmut Epple
Sehr geehrter Herr Epple,
vielen Dank für Ihr Interesse und Ihr Engagement für das wichtige Thema der Bekämpfung politisch rechts motivierter Straftaten.
Aufgrund der bitteren historischen Erfahrung in Deutschland und der Ende letzten Jahres nach der Aufdeckung der Serie schwerer, fremdenfeindlich motivierter Straftaten, die von der rechtsterroristischen Gruppierung begangen wurden, die sich selbst als „Nationalsozialischen Untergrund“ bezeichnet hat, offenbar gewordenen Bedrohungslage durch Rechtsextremismus und -terrorismus, sieht sich die Bundesregierung in besonderer Weise verpflichtet, rechtsextremistischen Tendenzen und rechter Gewalt entschieden entgegenzutreten. Ich kann Ihnen daher versichern, dass die Bundesregierung alles Erdenkliche unternimmt, um die Mängel, die nach der Aufdeckung der rechtsterroristischen Mordserie vor allem bei der Arbeit und dem Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden aufgetreten sind.
So habe ich bereits eine Woche nach der Aufdeckung der „NSU“ einen Maßnahmenkatalog vorgestellt, um die offensichtlich gewordenen Defizite in der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden schnellstmöglich zu beseitigen. Der Maßnahmenkatalog zielt auf eine künftig bessere Koordinierung der Arbeit von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden und ist bereits weitestgehend umgesetzt.
Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt dabei auf einer Verbesserung der Koordinierung und des Informationsaustauschs zwischen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Im Dezember 2011 wurde ein Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) eingerichtet, in dem Polizei- und Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder an einem Tisch sitzen und gemeinsam die Lage analysieren, Bekämpfungskonzepte fortentwickeln sowie ihre jeweiligen Maßnahmen koordinieren. Einen weiteren Baustein in dem Maßnahmenkonzept stellt die Einrichtung einer gemeinsamen Verbunddatei Rechtsextremismus für Polizeibehörden und die Nachrichtendienste dar, wodurch ein genaueres Gesamtbild ermöglicht werden soll. Das hierfür erforderliche Gesetz ist am 31. August 2012 in Kraft getreten.
Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus insgesamt verfolgt die Bundesregierung einen ganzheitlichen Ansatz, der darauf abzielt alle gesellschaftlich relevanten Ebenen einzubeziehen:
Hierzu gehören insbesondere die Vorfeldmaßnahmen, die darauf abzielen dem Entstehen einer demokratiefeindlichen rechtsextremistischen Gesinnung entgegenzuwirken. Die Unterstützung von Maßnahmen zur Prävention von Extremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in den breit angelegten Bundesprogrammen und komplementär dazu ausgerichtete Angebote der politischen Bildung zur Stärkung von Demokratie und Toleranz haben für die Bundesregierung dauerhaft hohe Priorität. Die Bundesprogramme , wie „TOLERANZ FÖRDERN - KOMPETENZ STÄRKEN“, „Initiative Demokratie stärken“, „XENOS - Integration und Vielfalt“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ fokussieren in unterschiedlichem Maße auf die direkte Bekämpfung des Rechtsextremismus. Die Programme werden kontinuierlich evaluiert und auf Grundlage dieser Ergebnisse weiter entwickelt. Die Bundesregierung fördert hierbei unterschiedlichste Ansätze zur Stärkung demokratischer Teilhabe in Kommunen, Verbänden und Vereinen. Sie unterstützt in diesem Zusammenhang zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen.
Ein weiterer Bestandteil ist die Bekämpfung politisch rechts motivierte Straftaten durch polizeiliche Stellen. Dies geschieht u.a. mit einer konsequenten Strafverfolgung, präventiven Mitteln, wie verstärkter polizeilicher Präsenz an Treffpunkten der rechten Szene, offensiver Öffentlichkeitsarbeit und verstärktem Objektschutz und erhöhter Bestreifung besonders gefährdeter Objekte, sowie einer intensiven internationalen Zusammenarbeit.
Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag haben außerdem die Möglichkeit, nach Art. 21 Abs. 2 GG beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen, Parteien zu verbieten, die in aggressiv-kämpferischer Art darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen. Die vom Bundesverfassungsgericht dafür aufgestellten Voraussetzungen sind jedoch hoch.
Hierbei dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass auch eine wehrhafte Demokratie unfreiheitlichen und undemokratischen Meinungen gegenüber grundsätzlich tolerant sein muss, wenn sie sich nicht selbst gefährden will. Daher kann eine Verfolgung extremistischer Tendenzen erst dort beginnen, wo eine bestimmte ´Schwelle ` überschritten wird, Straftaten begangen oder der Staat und seine Einrichtungen angegriffen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB
Bundesminister des Innern