Frage an Hans-Peter Friedrich von Hans-Günter G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Friedrich,
aus aktuellem Anlass, nämlich die Nachricht, dass im Land Berlin die religiöse Beschneidung von muslimischen und jüdischen Jungen wieder erlaubt ist (DIE RHEINPFALZ vom 06.09.2012) und Justizsenator Heilmann (CDU) anordnete, dass die Staatsanwälte bei fachkundigen Eingriffen keine Ermittlungen einleiten sollen", ergeben sich für mich juristische Fragen:
Was würde z. B. geschehen, wenn ein beschnittener Säugling als Erwachsener den Staat verklagt, weil dieser seine gesetzliche Schutzgarantie nicht nur nicht befolgte, sondern diese Straftat (Körperverletzung) ausdrücklich erlaubte?
Könnte sich der Staat damit rechtfertigen, dass ein paar einflussreiche Religionsführer einen in der Fantasie existierenden und nicht nachweisbaren „göttlichen Auftrag“ geltend machten?
Sollte der Führer einer Sekte auf die Idee kommen, dass er ebenfalls einen "göttlichen Auftrag" zu erfüllen hat und deshalb von seinen Anhängern verlangt, dass alle Neugeborenen tätowiert werden müssen, würde die deutsche Justiz dieses schmerzhafte Ritual ebenfalls "aus religiösen Gründen" erlauben?
Ob ein menschenverachtender, "göttliche Auftrag" vor etlichen tausend Jahren erteilt wurde oder erst seit gestern ist egal, denn wenn man dem einen glaubt, muss man dem anderen auch glauben. Beweisen können beide nichts.
Ein Kompromiss kann es in allen Fällen auch nicht geben, denn jede begleitende Maßnahme, ob Narkose, Elternbefragung oder "fachkundigem" Beschneider, das Ergebnis wäre die Beschneidung und demzufolge eine nicht rückgängig zu machende Verschandelung am Körper eines wehrlosen Kindes. Man kann auch nicht eine halbe Vorhaut beschneiden und als Kompromiss die andere Hälfte belassen.
Der gesetzlich garantierte Schutz vor Körperverletzung und Misshandlung muss ab Geburt gelten und darf weder einem angeblichen Elternrecht, noch dem Fanatismus irgendwelcher Religionslehrer geopfert werden.
Auf Ihre Auslegung bin ich gespannt.
Hans-Günter Glaser