Frage an Hans-Peter Friedrich von Paul G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag, Herr Dr. Friedrich,
über die beabsichtigte Beschränkung des Rederechtes für die Parlamentarier via Geschäftsordnung erschrecke ich zutiefst - ein solches Vorhaben hätte ich einer NPD zugetraut, nicht aber den bisher etablierten Parteien.
Abgeordnete sind nach Art. 38 Abs. 1 GG ihrem Gewissen verpflichtet - nicht irgendeiner Partei-Räson. Sie müssen also auch ihre Meinung unbehindert äußern können.
Meiner Meinung fußt diese Einschränkung des Rederechtes insbesondere in der Absicht, kritische Stimmen in Bezug auf die EU und den ESM-Vertrag zu unterbinden.
Dieser ESM-Vertrag ist meines Erachtens verfassungswidrig:
- eine Kündigung des Vertrages ist nicht vorgesehen
- die BRD ist unwiderruflich verpflichtet, abgerufene Gelder zu überweisen
- der "Gouverneursrat" kann nach Art. 10 des Vertrags aus eigener Macht und ohne Zustimmung der nationalen Parlamente, Regierungen, Verwaltungs-Institutionen die Erhöhung des Grundkapitals nach Artikel 8 beschließen
- der "Gouverneursrat" kann zwar verklagen, genießt aber selbst Immunität, die sogar noch die angestellten Personen und Schriftstücke umfasst.
Die Hoheit über einen wesentlichen Teil der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland ist den Parlamentariern entzogen.
Insofern fällt es m.M. nach in Ihr Aufgabengebiet, hier zu prüfen, ob die Rechte der Parlamentarier verfassungswidrig beschnitten werden.
Meine Fragen an Sie:
- Werden Sie dem Änderungsantrag zur Geschäftsordnung zustimmen?
- Werden Sie prüfen lassen, ob bezüglich des ESM-Vertrags Rechte der Parlamentarier unzulässig beschnitten werden?
Mit freundlichen Grüßen
Paul Göths
Sehr geehrter Herr Göths,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch vom 15. April 2012, in welcher Sie die gegenwärtige Diskussion über das Rederecht von Abgeordneten ansprechen.
Die angestoßenen Überlegungen zur Handhabung des Rederechts im Parlament waren nötig geworden, da in der gegenwärtigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ein eindeutiger Passus hierzu fehlte. Es steht dort lediglich unter § 35 Absatz 1 Satz 1: „Gestaltung und Dauer der Aussprache über einen Verhandlungsgegenstand werden auf Vorschlag des Ältestenrates vom Bundestag festgelegt.“ Eine Ausnahmeregelung, welche es dem Bundestagspräsidenten bzw. der -präsidentin ausdrücklich erlaubt, hiervon abzuweichen, sieht die gegenwärtige Geschäftsordnung nicht vor. Mit der Ergänzung sollte den Abgeordneten, die eine von der Mehrzahl ihrer Fraktionskollegen abweichende Auffassung vertreten, die Möglichkeit zur Rede eingeräumt und nunmehr geschäftsordnungsrechtlich abgesichert werden, wie es auch die Öffentlichkeit gefordert hat. Keinesfalls sollte dadurch eine benachteiligende Regelung eingeführt werden, was ja unsere Verfassung auch gar nicht zulassen würde.
Da wir Änderungen der Geschäftsordnung stets auf eine möglichst breite Grundlage im Deutschen Bundestag stellen wollen, ist in absehbarer Zeit nicht mit einer entsprechenden Gesetzesänderung zu rechnen.
Doch diese Diskussion wurde in keiner Weise im Zusammenhang mit der Abstimmung über den ESM-Vertrag geführt.
Ihre Besorgnis über den vermeintlichen Entzug der Finanzhoheit der Bundesrepublik Deutschland ist nachvollziehbar, aber unbegründet.
Der Deutsche Bundestag wird bei allen Maßnahmen im Rahmen des Euro-Rettungsschirms, die seine Haushaltsverantwortung berühren, das letzte Wort haben. So darf die Bundesregierung allen wesentlichen Maßnahmen im Rahmen der EFSF, wie etwa der Aktivierung des Rettungsschirms für einen Eurostaat sowie nachträglichen Änderungen an einem Sanierungsprogramm oder am EFSF-Vertrag selbst, nur dann zustimmen, wenn das Plenum des Deutschen Bundestages hierzu vorab ausdrücklich seine Zustimmung erteilt hat. Damit bleibt das Budgetrecht des Deutschen Bundestages in vollem Umfang gewahrt.
Selbstverständlich muss auch beim Entwurf zum ESM-Finanzierungsgesetz die Beteiligung des Deutschen Bundestages sichergestellt werden. Zur Zeit finden hierzu entsprechenden Debatten in den Fachgremien statt. Die CSU-Landesgruppe wird sich auch hier mit Nachdruck für die uneingeschränkte Beibehaltung des Budgetrechtes des Deutschen Bundestages beim ESM einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB