Frage an Hans-Peter Friedrich von Christian G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Friedrich,
Sie fordern laut Spiegel Online ein Ende der Anonymität im Netz. Dadurch setzen Sie die Reihe der gefährlichen bis dummen Bemerkungen in der Union zum Thema Internet fort (Uhl, Kauder...).
Nur ein Beispiel: ein Selbsthilfeboard für homopädophile Menschen würde es mit dem Ende der Anonymität nicht mehr geben. Gut integrierte homopädophile Menschen (selbsterarbeitet, die Politik und die öffentliche Meinung setzen ja in der Mehrheit auf Ausgrenzung und Stigmatisierung) werden wohl kaum mit Klarnamen ehrenamtlich anderen Pädophilen, die ihren Weg noch suchen bzw noch unter den gesellschaftlich von ihnen erwarteten Rollenklischees (zölibatär lebend oder Vergewaltiger) leiden, als Ansprechpartner in Sachen Lebensentwürfe und Umgang mit ihrer sexuellen Orientierung bereitstehen, wenn das das eigene soziale Leben in solchem Maße bedroht, wie es mit dem Ende der Anonymität im Internet der Fall wäre. Ich glaube kaum, dass Sie sich das gerade auch aus Kinderschutzgründen wünschen.
Haben Sie also bedacht, dass Sie mit Ihrem Vorschlag die Meinungsvielfalt im Internet und Engagement für gesellschaftliche Minderheiten eklatant bedrohen? Warum unterstützen Sie den Kurs in der Union existierende Freiheitsrechte für einen sehr unsicheren Gewinn von Sicherheit (ich glaube nicht daran, dass Ihr Vorschlag effektiv extremistische Meinungen bekämpft, er treibt sie nur aus der öffentlichen Wahrnehmung) aufgeben zu wollen?
Mit freundlichen Grüßen
Christian Gropper
Sehr geehrter Herr Gropper,
haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail.
Bundesinnenminister Dr. Friedrich hat mehrfach - u.a. auf dem Kirchentag in Dresden - betont, dass er keine gesetzliche Pflicht will, sich ständig und überall im Netz ausweisen zu müssen. Selbstverständlich muss weiterhin die Möglichkeit bestehen, Pseudonyme zu verwenden. Gerade für Internet-Angebote der Seelsorge und Beratungsstellen ist dies unverzichtbar.
Die Frage nach der Anonymität im Internet hat jedoch viele Facetten und lässt sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein, Schwarz oder Weiß beantworten. Die jüngsten Äußerungen des Bundesinnenministers bezogen sich auf Blogs, in denen Menschen unter Pseudonymen radikale politische Ansichten verbreiten. Sie bilden Fassaden, hinter die niemand schauen soll. Sie entziehen sich damit der demokratischen Streitkultur. Das mag ihr gutes Recht sein, aber es ist letztlich feige. Dem Bundesinnenminister geht es darum, dass gerade diejenigen, die mit ihren politischen Radikalthesen am lautesten prahlen, sich nicht hinter einer Maske verstecken, sondern mit offenem Visier streiten. In einer Demokratie können und müssen wir uns das leisten.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Michael Karl