Frage an Hans-Peter Friedrich von Heino S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Hallo Herr Friedrich,
bei aller Diskusion um Hartz IV stellt sich mir folgende Frage. Warum denkt der Staat über eine Erweiterung der Zuverdienstmöglichkeiten nach wenn dies doch schon längst durch die Wirtschaft ausgenutzt wird und steuerpflichtige arbeitsplätze abgebaut werden? Konkret ist es in meiner Firma so, das wir noch vor zwei Jahren in unserer Abteilung 5 Vollzeitkräfte hatten und eine Teilzeitkraft. Heute haben wir 3 Vollzeitkräfte, eine Teilzeitkraft, eine Kraft auf 400 € Basis und eine Kraft Hartz IV mit Zuverdienstmöglichkeit. Wenn diese Zuverdienstmöglichkeit weiter steigt, sehe ich die Gefahr, das noch mehr Jobs abgebaut werden, da die Arbeitgeber nur den Zuverdienst bezahlen müssen und den Rest zahlt der Staat. Die Industrie nennt soetwas Gewinnoptimierung. Desweiteren gibt es Firmen, z.B. im Bereich Kunststoffindustrie, die ihre eigene Zeitarbeitsfirma betreiben wie z.B. NAPOS Personalservice GmbH in Marktschorgast. Diese Firmen werden doch in Wirklichkeit nur betrieben, um Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor zu beschäftigen. Ihnen wird versprochen, dass man sie in die Kunstofffirma übernimmt, wenn sie sich positiv bewähren, doch Tatsache ist, dass man die Arbeitnehmer solcher Zeitarbeitsfirmen nur hinhalten will.
Persönlich kann ich dies sogar nachvollziehen. Wenn ich eine Arbeitskraft billig in meiner Firma beschäftigen kann, werde ich doch nicht eine teuere einstellen. Alles im Sinne der Gewinnoptimierung.
Wenn also der Staat weiter so macht, bin ich der Meinung, dass man der Wirtschaft noch mehr Spielraum zur Gewinnoptimierung schafft und die das auch logischerweise nutzen wird. Doch steuerpflichtige Arbeitsplätze werden auf diese Weise weiterhin abgebaut. Die Arbeitnehmer verdienen somit sehr viel weniger, die Kaufkraft in Deutschland fällt weiter, der Staat muss nochmehr finanzielle Mittel dazu schießen und irgendwann sind wir pleite. Angefangen hat alles mit der Zeitarbeit, die durch eine Gesetzeslücke in Deutschland denn Billiglohnsektor möglich gemacht hat.
MfG H.Schwarzbach
Sehr geehrter Herr Schwarzbach,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 19. Februar 2010, in der Sie sich kritisch zu den geplanten Änderungen der Hinzuverdienst-Möglichkeiten im Rechtskreis SGB II äußern.
Nach den aktuell geltenden Freibetragsregelungen im SGB II bleibt für Empfänger von Arbeitslosengeld II ein Grundfreibetrag von 100 € für Hinzuverdienste anrechnungsfrei. Darüber hinausgehendes Einkommen bis 800 € wird zu 80 % angerechnet, hierüber hinausgehendes Einkommen bis 1.200 € (bzw. 1.500 € für eHb mit minderjährigem Kind) wird zu 90 % angerechnet. Die auf die Netto-Bezüge anzuwendenden Freibeträge werden aus den Brutto-Bezügen ermittelt. Für Selbständige können sich de facto niedrigere Freibeträge ergeben, da bei der Gewinnermittlung nicht der steuerliche Gewinn zugrunde gelegt wird, sondern die SGB-II-Träger (ARGEn/JobCenter) strengere eigene Kriterien bei der Anerkennung von Betriebsausgaben zugrunde legen.
Im Juni hatten von 4,9 Mio. erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (eHb), also Alg-II-Beziehern, 1,3 Mio. (27 %) Einkommen aus Erwerbstätigkeit. (Für diese Personengruppe wurde der Begriff „Aufstocker“ geprägt.) Davon hatten 757.000 (15 % bezogen auf alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen) einen Minijob, 569.000 (12 %) waren sozialversicherungspflichtig tätig.
Die geltenden Hinzuverdienst- und Minijob-Regelungen bieten tendenziell mehr Anreiz, gering vergütete Tätigkeiten anzunehmen als den Leistungsbezug durch höhere Einkommen zu verringern. Die Bundesregierung hat daher Mitte November 2009 in Meseberg beschlossen, eine Änderung der Erwerbstätigenfreibeträge zu prüfen, mit dem Ziel, die Arbeitsanreize hin zu einer voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu erhöhen. Es sollen künftig sogenannte Lock-in-Effekte vermieden und die Anreize erhöht werden, reguläre Beschäftigung aufzunehmen bzw. auszuweiten, was Ihrem Anliegen weitestgehend entspricht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Friedrich MdB