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Hans-Michael Goldmann
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Frage von Nikolai A. •

Frage an Hans-Michael Goldmann von Nikolai A. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Bezugnehmend auf Ihre Antwort vom 19.02 stellt sich mir die Frage was denn die Grundeinstellung der FDP ist? Als Selbstständiger dachte ich, daß die wirtschaftspolitischen Interessen den Unternehmern gilt. Und zwar allen, nicht nur den Gackerles und ähnlichen.

WIe Frau Leibundgut schon schrieb steigt auch die Nachfrage nach Bioprodukten, was aber kaum mit den 5Mio Mastplätzen der Fall ist. Wie soll denn der Bedarf gedeckt werden? Gibt es da auch eine logische Erklärung von Seiten der FDP oder von Ihnen selbst?

Sowohl die Aussagen in den Medien als auch die hier gelesenen lassen mich doch sehr daran zweifeln das die Politik sich an den Interessen und Sorgen der Menschen orientiert. Wie sonst erklären Sie sich, daß trotz der sinnfreien Aufstallung Großbetriebe betroffen sind, aber keine Privathaltungen? Das H5N1 schon länger Existenz ist sollte doch sogar dem FLI bekannt sein und das jedes Jahr Vögel den Winter nicht überleben ist auch nichts neues. Und hätte man die Tiere vor 6 Jahren untersucht hätte man mit Sicherheit auch den Nachweis erbringen können. Was also soll dieser Lobbyzirkus?

mit resignierenden Grüßen
Nikolai Ahlbrecht

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Leibundgut, sehr geehrter Herr Ahlbrecht

Fragen zum Aufstallungsgebot habe ich in den früheren Antworten erschöpfend beantwortet. Ob neue Mastanlagen nun im Emsland oder anderswo genehmigt werden oder nicht, ist eine Frage, die nichts mit der Vogelgrippe zu tun hat. Hierfür gibt es klare gesetzliche Regelungen und die kommunalen Behörden entscheiden solche Anträge gemäß den gesetzlichen Bestimmungen.

Davon getrennt ist die Frage zu betrachten, unter welchen Bedingungen die so genannte Massentierhaltung stattfindet. Die EU berät derzeit über eine neue Richtlinie zur Masthähnchen Haltung und das Ergebnis bleibt abzuwarten. Bei der Legehennenhaltung haben wir eine aktuelle EU-Richtlinie und eine nationale Umsetzung, die wir als FDP mittragen.

Völlig unstrittig ist, dass die alten Legebatterien dem Tierschutzgebot widersprechen und abgeschafft werden müssen. Ich kenne jedenfalls keinen Politiker, der etwas Gegenteiliges erklärt hätte. Da die EU die Käfige ab 2012 verboten hat und die alte Rot/Grüne Bundesregierung bereits fünf Jahre früher das Verbot national umsetzen wollte, ging der Streit vor dem Bundesratsbeschluss vom Frühjahr 2006 darum, ob wir die alten Käfige früher und wenn ja um wie viel früher als unsere europäischen Nachbarn verbieten sollten.

Die FDP trägt den Kompromiss, die alten Käfige ab 2009 zu verbieten, mit. In diesen Zusammenhang gehört auch die Diskussion um die Kleinvoliere, die die alten Käfige ersetzen sollen. Mit den geplanten Kleinvolieren könnten die meisten Hühnerhalter die alten Produktionsgebäude weiterhin nutzen, wenn auch mit rund einem Drittel weniger Tiere. Diese Kleinvolieren ermöglichen den Landwirten ein weiteres Wirtschaften in Deutschland. Es ging darum zu verhindern, dass Eierproduzenten für eine Produktion in Deutschland keine Zukunft mehr sehen und in Länder ausweichen, in denen sie die alten Käfige nicht nur wieder aufbauen könnten, sondern in denen dann sogar noch mehr Tiere pro Einheit gehalten werden, als bei uns. Damit hätten wir dem Tierschutz einen Bärendienst erwiesen. Wir hätten uns zwar stolz an die nationale Brust klopfen können, dass wir ja nun ein reines Gewissen in Sachen Tierschutz haben könnten, aber unter dem Strich würde es jenseits der Grenzen noch mehr Tieren noch schlechter gehen. Deren Eier würden dann die hier produzierten Eier in der Lebensmittelproduktion wie z.B. Nudeln ersetzen.

Gegen diese Doppelmoral habe ich mich immer gewandt. Entscheidend in der Frage unter welchen Bedingungen Legehennen gehalten werden, ist der Verbraucher. Solange er mehrheitlich in erster Linie auf den Preis schaut, statt auf Qualität (Tierschutz), solange wird es Anbieter geben, die diese Nachfrage befriedigen; ob uns dies nun gefällt oder nicht. Derzeit (2005) importieren wir über 270.000 t Eier jährlich.

Noch spielen Importe aus Nicht-EU-Ländern keine Rolle, aber das wird sich ändern, wenn wir den Landwirten in Deutschland bzw. der EU keine wirtschaftlich sinnvolle Eierproduktion ermöglichen, um die Nachfrage zu befriedigen. Bei der ganzen Diskussion sollte man auch nicht aus den Augen verlieren, dass die Haltung der Legehennen in den Kleinvolieren in Deutschland höhere Standards erfüllen wird, als die EU vorschreibt. D.h. auch jeder Eierproduzent, der nicht in ein Drittland, sondern in ein anderes EU Land auswandert, in dem nur die EU-Vorschriften gelten (und das ist die weit überwiegende Mehrzahl in der EU-27), ist ein Verlust aus tierschutzpolitischer Sicht.

Ein wichtiger Schritt für ein geändertes Verbraucherverhalten war die Einführung der konsequenten Kennzeichnung. Erst seit der Einführung dieser Kennzeichnung ist der Verbraucher überhaupt in der Lage, eine konsequente, bewusste Entscheidung zu fällen. Deshalb hat die FDP die Eierkennzeichnung immer unterstützt und deshalb prüfen wir derzeit auch, diese Kennzeichnung auch auf Produkte auszudehnen, in denen Eiern verarbeitet wurden. In Deutschland stammt momentan noch knapp die Hälfte der Eier von Käfighennen.

Die Nachfrage der Privatverbraucher Freiland- und Bio-Eier liegt seit fast drei Jahren konstant bei zusammen 28 %, die Nachfrage von Eiern aus Bodenhaltung ist in den letzten drei Jahren von 14 auf 29 % gestiegen. Die Ursachen dieser Verschiebung sind wahrscheinlich im veränderten Angebot der Discounter zu sehen. Aldi Nord hatte 2004 mit der so genannten Auslistung von Eiern aus Käfighaltung begonnen. Weitere Ketten zogen in dieser Region nach und ersetzten im preiswerten Sortiment die Käfigeier durch Eier aus Bodenhaltung. Der damit sprunghaft wachsende Anteil der Eier aus Bodenhaltung war folglich weniger nachfrage- als angebotsbedingt. Insgesamt hat Aldi Nord dadurch aber Marktanteile verloren, während Aldi Süd, die nach wie vor Käfigeier im Angebot haben, ihren Marktanteil in diesem Segment ausbauen konnte.

Ganz wichtig ist mir in dieser Debatte aber auch, dass man sich einen ideologiefreien Blick auf die Haltungsformen bewahrt. So gibt es zu Recht immer wieder Kritik an der Bodenhaltung. Ich kann nicht erkennen, dass die Bodenhaltung als Haltungsform beispielsweise den ausgestalteten Käfigen deutlich überlegen ist. Entsprechende Untersuchungen der Tierärztlichen Hochschule Hannover belegen, dass bei Freiland- und Bodenhaltung erhebliche gesundheitliche Risiken für die Legehennen bestehen.

Dem Vorteil des besseren Knochenwuchses durch mehr Bewegungsfreiheit in der Bodenhaltung stehen die Nachteile gegenüber, dass die Hennen mit dem Kot in Kontakt kommen. Auf diese Weise können sie sich schneller mit Parasiten infizieren. Auch Krankheiten breiten sich schneller im Bestand aus. Die Tierverluste sind höher und damit der Bedarf an Medikamenten wie Antibiotika. Die Eier sind auch häufiger verschmutzt, da sie mit dem Kot in Kontakt (z.B. in Gruppennestern) kommen. Durch den Einstreu und die Federn der Tiere ist die Staubbelastung sehr hoch, was für die Tiere und den Landwirt schädlich ist. Die Rangordnung in einer Herde ist für die soziale Stabilität wichtig, kann aber in den großen Herden nicht dauerhaft eingehalten werden, da Hühner sich nur eine deutlich begrenzte Anzahl Artgenossen merken können. Die genaue Zahl ist noch nicht gesichert, liegt jedoch deutlich unter 50. Durch ständige Rangkämpfe kommt es zu Stress und unter Umständen zu Verletzungen, die wiederum Erkrankungen fördern. So sind bei der Bodenhaltung neben einer schnelleren Verbreitung von Krankheiten insbesondere ein Kannibalismusverhalten und aggressives Federpicken zu beobachten. In der Freilandhaltung werden die Halter wiederum mit extern eingetragenen Krankheiten konfrontiert.

Zu beachten bei der Diskussion ist auch, dass Eier in Auslaufhaltung bei allen seriösen Tests nicht nur bei Fremdstoffbelastung häufig schlechter abschneiden, als Eier aus der Käfighaltung, sondern auch bei allen sensorischen Tests. Prof. Siegmann von der Tiermedizinischen Hochschule Hannover ging sogar soweit, dass er urteilte: „Der Käufer von Freilandeiern erhält für einen höheren Preis eine lebensmittelhygienisch schlechtere Qualität.“ Letztlich haben es die Verbraucher in der Hand. Sie können nach Abwägung aller Vor- und Nachteile eine verantwortliche Entscheidung fällen, zu welchen Eiern sie im Regal greifen. Je häufiger sie nicht zum billigsten Angebot greifen, sondern zu Bio- oder Freilandeiern, desto eher wird sich auch die landwirtschaftliche Produktion darauf einstellen.

Ein grundsätzliches Problem, das Sie angesprochen haben, ist die anhaltende Nachfrage nach Bioprodukten auf dem deutschen Markt. Dass die deutsche Bioproduktion derzeit die Nachfrage nicht befriedigen kann, liegt daran, dass Landwirte, die ihre Produktion auf Bio umstellen, zwei Jahre nach Biostandards produzieren müssen, ohne in dieser Zeit ihre Produkte als Bioprodukte verkaufen zu können, weil dies die Regeln des Biolandbaus so vorschreiben. Diese Umstellungsphase scheuen viele Landwirte, weil sie befürchten diese zwei Jahre nicht wirtschaftlich überstehen zu können. Dieses Problem ist erkannt und wir arbeiten an einer Lösung dieses Problems.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Hans-Michael Goldmann