Frage an Hans-Jürgen Klein von Hans-Werner R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Klein, in Niedersachsen wird bei den BOS der digitale Funk eingeführt. Einmal ganz unabhängig von den technischen Vorteilen für die Nutzer: Wie stellte sich Ihre Partei zu den definitiv vorhandenen und nicht mehr weg zu diskutierenden bzw. schön zu redenden Gefahren der "digital gepulsten Skalarwelle"; denn nichts anderes isr die Technik hinter dieser neuen (eigentlich schon wieder veralteten) Kommunikationstechnik. Zahlreiche offizielle Studien (beispielhaft sei die REFLEX-Studie erwähnt) weisen eindeutig auf massive Gefahren für alle biologischen Zellsysteme hin!! Das kann man doch nicht totschweigen?! Meine Anfragen bei der Polizei Niedersachsen sind sehr unbefriedigend und ziemlich hilflos beantwortet worden. Ich bin auf Ihre informative Antwort gespannt.
Mit freundlichen Grüßen, Hans-Werner Rudat
Sehr geehrter Herr Rudat,
vielen Dank für Ihre interessante Frage zur Einführung des digitalen Funks bei den BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) in Niedersachsen. Gerne möchte ich im Folgenden zu diesem Thema und zum Elektrosmog im Allgemeinen aus grüner Sicht Stellung nehmen.
Die Einführung des digitalen Polizeifunks wurde bereits im Juni 2003 auf Bundesebene länderübergreifend beschlossen. Das damals anvisierte Ziel, die neue Technik bis zur WM 2006 flächendeckend einzuführen, wurde zwar nicht erreicht, dennoch bestehen keine Zweifel daran, dass der digitale Funk kommen wird und dass er unerlässlich ist. Die derzeitige analoge Technik kann wichtigste Anforderungen nicht mehr erfüllen. Das zukünftige einheitliche digitale Sprech- und Datenfunksystem hingegen wird die Behörden erstmalig in die Lage versetzen, gemeinsame Informations- und Kommunikationsstrukturen aufzubauen und diese ohne Medienbrüche zu nutzen.
In Bezug auf die gesundheitsschädigende Wirkung des digitalen Funks und die Erkenntnisse die aus den verschiedensten Studien gezogen werden können, gibt es unterschiedliche Ansichten: Die Niedersächsische Landesregierung hat im Gegensatz zu Ihnen keinerlei Befürchtungen, die Einführung des BOS-Digitalfunks könnte gesundheitliche Schäden verursachen. Auf eine Anfrage zu den gesundheitlichen Bedenken des Digitalfunks hat sie im Mai 2007 vor allem mit der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte argumentiert. Gerne möchte ich aus dieser Antwort der Landesregierung kurz zitieren:
„Hinweise auf Schädigungen bei Einhaltung der Grenzwerte haben sich bisher nicht ergeben. Als aktueller Beleg für diese Bewertung kann u.a. ein Bericht der Strahlenschutzkommission aus Dezember 2006 herangezogen werden. Auf der Grundlage der Auswertung neuester Untersuchungen wurde festgestellt, dass es keinen Anlass gibt, von einer gesundheitsgefährdenden Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf das Erbgut auszugehen und geltende Grenzwerte infrage zu stellen. […] Der Einsatz der Mobilfunktechnologie einschließlich des BOS-Digitalfunks ist daher bezogen auf den Stand der Wissenschaft als sicher einzuschätzen. […] Auch wenn Kritiker der Funktechnologie wiederkehrend die Behauptung erheben, von dieser Pulsung könnte eine besondere biologische Wirkung ausgehen, haben sich jedoch trotz intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen bis jetzt keine Anhaltspunkte dafür ergeben.“
Wir Grünen weisen indessen darauf hin, dass es mit Verweis auf die eingehaltenen Grenzwerte nicht getan ist und, dass bei der Frage nach gesundheitsschädigenden Wirkungen alle hochfrequenten elektromagnetischen Felder, also der gesamte „Elektrosmog“, betrachtet werden müssen. Seit Jahren konzentriert sich die Diskussion bei diesem Thema hauptsächlich auf Mobilfunkmasten. Andere Quellen, wie das eigene Handy, WLAN, Schurlostelefone zu Hause oder im Büro oder aber neuere Technologien, wie der von Ihnen angesprochene digitale Polizeifunk oder aber das neue eingeführte digitale Fernsehen werden gerne vergessen. Diese unvollständige Aufzählung macht deutlich, dass es nicht um eine einzelne Technologie und deren Strahlenwerte geht, sondern um die Betrachtung der Gesamtexposition durch all diese Technologien. Auch wenn viele Nutzer dieser Technologien es nicht wahrhaben möchten: Es geht nicht mehr um die Frage ob diese elektromagnetische Strahlung potentiell eine Schädigung verursachen kann. Diese Frage ist schon lange bejaht. Deshalb hat die Bundesregierung entsprechende Grenzwerte in der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung festgelegt. Für uns Grüne geht es auch nicht darum, diese Technologien abzuschaffen, sondern um die Frage: Inwieweit können wir einen vorbeugenden Verbraucherschutz und diese interessanten neuen Technologien zusammenführen. Nicht jede Technik-Regulierung ist technologiefeindlich. Im Gegenteil: Die Gewährleistung von Gesundheits- und Verbraucherschutz fördert innovative Forschungs- und Entwicklungsleistungen der Telekommunikationsbranche.
Ziel von Bündnis 90/DIE GRÜNEN ist es, die Gesamtexposition eines jeden einzelnen so gering wie möglich zu halten. Daher haben wir uns in den letzten Jahren auf Bundesebene für eine Herabsetzung der Grenzwerte eingesetzt. Diese Verschärfung der Grenzwerte war jedoch mangels eindeutiger wissenschaftlicher Beweise bisher nicht durchsetzbar. Außerdem fordern wir, dass absolut alle Möglichkeiten zur Minimierung der Strahlung jeder einzelnen Technologie genutzt werden. Diese Reduzierungsmöglichkeiten sind unseres Erachtens bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.
Genauso wie das Bundesamt für Strahlenschutz, weisen wir Grünen ebenfalls darauf hin, dass es bei der Gesamtexposition auch stets auf den Verbraucher ankommt. Messungen haben ergeben, dass Geräte, die nahe am Körper getragen werden, die höchste Exposition erzeugen. Hier ist also jeder Einzelne aufgefordert, selbst aktiv zu werden. Dem Polizisten hilft dies nicht in Bezug auf die Digitalfunk-Anlage in seinem Dienstwagen, jedoch in Bezug auf sein persönliches Handy.
Weiterhin ist für Bündnis90 / Die Grünen wichtig, dass die Erforschung der Auswirkungen der verschiedenen Immissionsquellen, wie sie im Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramm geschehen ist, fortgesetzt wird. Leider hat die große Koalition im Bundestag diesen Antrag im Umweltausschuss im Juli 2007 gegen die Stimmen der Oppositionsparteien abgelehnt. Inhalt waren eine Fortführung mit den Schwerpunkten Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche und die Langzeitforschung. Unseres Erachtens gibt es nämlich mittlerweile Hinweise (keine Beweise) darauf, dass eine Langzeitbestrahlung tatsächlich gesundheitsschädliche Auswirkungen hat.
Tatsache ist, dass in verschiedenen Studien Hinweise auf verschieden physiologische Effekte durch die Hochfrequenzstrahlung bspw. des Mobilfunks beschrieben wurden. Uneinig ist sich die Wissenschaft aber darüber, inwieweit diese beobachtbaren Effekte auch Gesundheitsschäden verursachen. Den endgültigen Beweis einer Unschädlichkeit kann die Wissenschaft möglicherweise nie erbringen. Für die Politik heißt das: Vorsorgeorientiert handeln.
Mit freundlichem Gruß,
Hans-Jürgen Klein