Frage an Hans-Joachim Otto von Mike S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Otto,
das bisherige Familienministerium sieht Familien vordringlich unter dem Aspekt Gewinn. Aufgefallen ist mir auch der Wille zur Frühpädagogik, zu Ganztagesschulen etc. Damit einher geht mit Sicherheit eine starke Kontrolle jeder Familie, die ihr Kind in so eine vom Familienministerium geförderte Einrichtung bringt.
Ist das den jungen Eltern bewußt?
Worin besteht heute noch der besondere Schutz der Familie wie er im Grundgesetz vorgesehen ist?
Und hätten Sie das Vertrauen, daß die Einrichtungen verschwiegen sind für andere Ämter, Personen etc und andernteils auch transparent genug für die Eltern bleiben.?
Das derzeitige Familienministerium läßt sich z.B. beraten von Leuten, die keine Transparenz bei ihrer Fragetechnik etc. zulassen. Jugendämter und juristisch Tätige sind heute schon nicht immer verschwiegen, wie ich es bei einem konkreten Fall miterlebt habe.
Im Bildungswesen ist erwiesen, daß nirgends so stark aussortiert wird bei den Schulkindern wie in Deutschland. Man redet schon wieder vom notwendigen Selektieren!( habe ich selbst in zwei Radiosendungen gehört). Potentielle Eltern müssen viel Mut haben in diesem Land oder ahnungslos sein.
Finden Sie diese Entwicklung berechtigt, bedenklich oder gut ?
Mike Smith
Sehr geehrter Herr Smith,
die Familienpolitik ist in diesem Wahlkampf bislang nicht ausreichend gewürdigt worden, daher vielen Dank für Ihre Fragen.
Ehe und Familie sind tragende Verantwortungsgemeinschaften in der Bürgergesellschaft, die zu Recht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen. Die Familie bedarf der besonderen Förderung, um die bisherigen Benachteiligungen auszuräumen. Familienpolitische Leistungen sind keine sozialen Wohltaten, sondern eine Investition in unsere Zukunft. Neben die Ehe treten heute aber auch andere Formen des Zusammenlebens. Für Liberale sind alle Lebensgemeinschaften wertvoll, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen.
Verantwortungsgemeinschaften dürfen nicht diskriminiert werden; rechtliche Benachteiligungen für neue Verantwortungsgemeinschaften müssen abgeschafft werden. Dazu gehört auch, daß Kinder in all diesen Verantwortungsgemeinschaften geschützt und besser gefördert werden. Der heutige Umgang mit Kindern bestimmt den Charakter der Gesellschaft von morgen. Wir wollen den gesellschaftlichen Freiraum schaffen, in dem Frauen und Männer einen Kinderwunsch realisieren können. Echte Freiheit bei der Entscheidung erfordert, daß der Staat familien- und kinderfreundliche Rahmenbedingungen schafft und unfaire Nachteile ausgleicht. Niemand soll sich für Kinder oder Kinderlosigkeit – sei sie gewollt oder ungewollt – entschuldigen müssen. Wir wollen zu einem gesellschaftlichen Klima beitragen, das mehr Menschen ermutigt, sich Kinder als Teil ihres Lebens zu wünschen.
Das familiäre Zusammenleben, die Erziehung und das Heranwachsen von Kindern dürfen nicht verstaatlicht werden. Staatliche Eingriffe in die Familie selbst bedürfen einer besonderen Rechtfertigung. Liberale wollen keine Rundum-Erziehung von Kindern durch staatliche Institutionen. Die Frage nach dem Verhältnis von Familie, Erziehung und Staat trifft den Kernbereich freiheitlich-demokratischer Grundordnung. Das bedeutet aber auch, daß zuallererst die Eltern ihrer Verantwortung bei der Erziehung gerecht werden müssen.
Der Elementarbereich der Bildung muß mit Vorrang gestärkt werden. Frühkindliche Bildung ist der entscheidende Faktor für die Chancengerechtigkeit am Start. Faire Chancen sind eine Grundvoraussetzung, um Kindern aus allen sozialen Schichten eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Jedes Kind muß beim Eintritt in die Grundschule dem Unterricht folgen können. Verbindliche Sprachtests müssen bereits mit Beginn des vierten Lebensjahres stattfinden, um Defizite bis zum Schulanfang abzubauen. Um alle Kinder schulfähig zu machen, soll im Jahr vor dem Schulanfang ein verbindliches Angebot gemacht werden. Mit spielerischen, aber zielorientierten, den Kindern angemessenen Methoden soll das Sprach- und Zahlenverständnis gefördert, die soziale Kompetenz, die Musikalität und Kreativität der Kinder entwickelt werden. Ferner sollen insbesondere bei Kindern mit Migrationshintergrund Sprachdefizite zur Wahrung der Chancengleichheit ausgeglichen werden. In der "Startklasse" sollen aber auch besondere Begabungen erkannt und gefördert werden. Zur Sicherung pädagogischer Standards im Kindergarten sind eine Reform der Ausbildung der Erzieher und ein hochwertiges Weiterbildungsangebot erforderlich.
Wir wollen ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen mit eigenem pädagogischem Konzept. Förderunterricht, Unterstützung der Eltern durch Hausaufgabenbetreuung, Entwicklung der kreativen und motorischen Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen sind zentrale Aufgaben. Dabei sollen die Schulen mit geeigneten Vereinen, Verbänden, privaten Initiativen und Institutionen zusammenarbeiten.
Der Staat darf dabei nicht zum Ersatz-Erzieher werden; ebenso sind solche Einrichtungen nicht geeignet systematisch Daten über das Verhalten oder die Lebenssituation zu erheben, insbesondere wenn dies nicht absolut transparent geschieht.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Otto