Frage an Hans-Christian Friedrichs von uwe s. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung in der Landwirtschaft:
- speziell die rasche Entwicklung und Ausbreitung von Biogasanlagen, die in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion stehen?
- wie stufen Sie deren Folgeschäden, speziell die Ausbringung dieser Gülle, die Humus abbaut, anstatt aufbauen sollte, für unsere Natur und letztlich für die Lebensmittelerzeugung in den nächsten Jahrzehnten ein?
- ist Ihrer Meinung nach dieses Fortschreiten von Monokulturen in der deutschen Landwirtschaft gewollt?
- was würden Sie an der Entwicklung (speziell nur auf die o. g. Fragen) ändern wollen?
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Fragen.
1. Biogasanlagen
Sie sagen es, Biogasanlagen – wir könnten sie auch „Agragasanlagen“ nennen – stehen in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Die mittelfristige Entwicklung ist schlecht vorhersehbar, da sie von mehreren Faktoren abhängt, insbesondere der Preisentwicklung konkurrierender Energieträger, wie Mineralöl und Erdgas, aber auch die Getreidepreise spielen eine Rolle, denn beispielsweise Getreide steht aktuell in einem Verdrängungswettbewerb zu Mais, dem wichtigsten Rohstoff zur Agrarenergieerzeugung. Hatten wir seit Sommer 2008 einen starken Einbruch am Mineralölmarkt, so haben die Preise seit Anfang 2009 zum Beispiel für Dieselkraftstoff wieder um gut zehn Prozent angezogen. Da die Erdgaspreise an die Rohölpreise gekoppelt sind, wirken sich die Veränderungen mit einer gewissen Verzögerung auch auf die Erdgaspreise aus. Jede Preissteigerung auf dem Energiemarkt macht Biogasanlagen etwas konkurrenzfähiger. Da der Ölpreis nach meiner Einschätzung mittel- bis langfristig nur nach oben gehen kann, wird auch der Bau von Biogasanlagen wieder attraktiver werden. Der Markt für Biogas ist noch nicht gesättigt. Ich gehe daher von einem Ausbau der Biogasproduktion aus.
2. Folgeschäden
Der intensive Anbau von Mais zur Energieerzeugung führt zu einer Verarmung der Böden, die nur schwer und langfristig reparabel ist. Die so geschädigten Böden eignen sich somit auch zunehmend schlechter zum Anbau anderer anspruchsvollerer Pflanzen. Der effiziente Anbau von Mais als Energiepflanze benötigt regional schon eine intensive künstliche Bewässerung, deren Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel dringend zu untersuchen ist, und bedarf auch einer ebenso intensiven - in der Regel künstlichen - Düngung. Eine kurzfristige Umstellung auf den Anbau von Getreide o. a. ist dann ebenso mit einem Mehraufwand an Düngung verbunden. Die Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion können also bei ungebremster Entwicklung insbesondere wirtschaftlich erheblich sein. Weitere Preissteigerungen werden unvermeidlich sein.
Die Veränderungen des Landschaftsbildes und das rapide Verschwinden von Lebensraum für diverse Tier- und Pflanzenarten ist ebenso eine deutlich sichtbare Auswirkung der zunehmenden „Vermaisung“ und des Umbruchs von immer mehr Grünland.
3. Ist Ihrer Meinung nach dieses Fortschreiten von Monokulturen in der deutschen Landwirtschaft gewollt?
Da stellt sich die Frage von wem. Selbstverständlich gibt es Lobbygruppen die ein massives Interesse an einer intensiven Nutzung der Agrarenergien besitzen, ein „Fortschreiten von Monokulturen in der deutschen Landwirtschaft“ als Selbstzweck zu fördern, kann ich mir allerdings schlecht vorstellen. Global gibt es natürlich Konzerne wie „Monsanto“, die ein großes Interesse an der Verbreitung und Nutzung nur ihres Saatgutes, der zugehörigen Pestizide und Fungizide bzw. des Kunstdüngers besitzen. In diesen Konzernen kann man in der Tat ein gewisses Interesse an Monokulturen unterstellen. Klären Sie mich bitte auf, wenn Sie da weitergehende konkrete Erkenntnisse besitzen.
4. Was würden Sie an der Entwicklung (speziell nur auf die o. g. Fragen) ändern wollen?
Ich denke gar nicht daran, regenerative Energien, speziell die Nutzung nachwachsender Rohstoffe zur Gaserzeugung, Verstromung und zur direkten Nutzung durch die Mobilität pauschal zu verteufeln. Nur liegt es auf der Hand, dass diese Nutzung nachhaltig – hier ist das inflationär gebrauchte Wort tatsächlich angebracht –, regional und in Maßen geschehen muss. Der Umstieg von fossilen Energieträgern auf regenerative ist unausweichlich, er muss jedoch mit einem Maßnahmenpaket der Energieeinsparung und der Effizienzsteigerung einhergehen und darf nicht zulasten anderer Regionen und Naturräume, wie etwa der Regenwälder gehen. Zur Eindämmung der „Vermaisung“ unterstütze ich zudem das „Zehn-Punkte-Papier Biogas: Grundsätze für eine naturverträgliche Produktion“ des NABU, Landesverband Niedersachsen, das ich hier kurz wiedergeben will:
1. Beschränkung des Anteils einer Fruchtart (z.B. Silomais) in der Biogasanlage auf maximal 50%.
2. Einhaltung einer mindestens dreigliedrigen Fruchtfolge, wovon kein Fruchtfolgeglied mehr als 50% ausmachen darf.
3. Verzicht auf den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO).
4. Verzicht auf Intensivierung und Umbruch von Grünland.
5. Weitgehender Verzicht auf Pestizide durch konsequente Anwendung der Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes (z. B. Vorrang biologischer und mechanischer Maßnahmen, resistente Sorten, Schadschwellenprinzip).
6. Nachweis einer ökologischen Ausgleichsfläche (z. B. Saumstrukturen, Blühstreifen, Feldgehölze, Extensivgrünland) in Höhe von mind. 10% der Betriebsfläche.
7. Verzicht auf Erntemaßnahmen von auf Stilllegungsflächen angebauten Energiepflanzen vor dem 1. Juli (Schutz von Bodenbrütern und Niederwild).
8. Verzicht auf den Anbau von Energiepflanzen auf ökologisch sensiblen Standorten (Natura 2000-Gebiete, erosionsgefährdete Hanglagen und Moorstandorte).
9. Einhaltung eines hohen Wirkungsgrads der Biogasanlage (70%) durch konsequente Nutzung der Abwärme (Kraft-Wärme-Kopplung).
10. Nachweis ausreichender Lagerkapazitäten für die Gärreste, um zu häufige und ökologisch nicht vertretbare Ausbringungsfahrten (z. B. im Winterhalbjahr) zu vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Christian Friedrichs