Frage an Hans-Christian Friedrichs von Georg P. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Friedrichs,
ich bitte Sie höflich um Beantwortung der folgenden Fragen:
1. Es ist inzwischen unstrittig, dass der Mensch durch CO2-Erzeugung zur Klimaänderung beiträgt. Sehen Sie Chancen, durch die Verkehrspolitik gegenzusteuern und wie sollte dies aussehen?
2. Wann wird voraussichtlich das globale Ölfördermaximum (Peak Oil) erreicht sein, der Zeitpunkt also, ab dem mehr Öl nachgefragt wird, als überhaupt gefördert werden kann?
2a Welche Auswirkungen hat das Erreichen des Ölfördermaximums auf den Straßenverkehr??
3. Beim Gütertransport per Lkw wird, je nach Begleitumständen, fünf bis zehn Mal so viel CO2 erzeugt, wie beim Transport mit der Bahn. Stimmen Sie dieser Aussage zu? Wenn nein, warum nicht?
Mit freundlichen Grüßen
Georg Pape
Lieber Herr Pape,
gern werde ich versuchen, Ihre Fragen zu beantworten.
1. Die Mobilität ist weltweit für über 20 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich, Tendenz steigend. In Mitteleuropa sind es sogar mehr als 27 Prozent, also ein erheblicher Anteil. In Deutschland kommen wir auf 573 Autos je 1000 Einwohner, in den USA sind es sogar 775, aber in den bevölkerungsreichsten Ländern China nur 22 und in Indien nur 11. Weltweit gibt es ca. 900 Mio. Pkw. Würden Indien und China weiter eine europäische oder gar amerikanische Mobilitätskultur anstreben, dann trügen allein diese beiden Staaten zur weltweiten Verdoppelung der Pkw-Zahlen bei. Damit ergäbe sich eine erhebliche Steigerung des prozentualen Anteils der Mobilität am gesamten durch den Menschen verursachten CO2-Ausstoß. Der Klimawandel würde bei dieser Entwicklung nicht etwa gebremst, sondern weiter forciert und das mit katastrophalen globalen Folgen. Dieser dramatische Trend ist leider ungebrochen. Auch bei uns scheint die Automobilität inzwischen über Generationen Teil des Erbguts geworden zu sein und ein Sinneswandel hin zu einer umweltschonenden ökologischen Mobilität ein Langzeitprojekt zu werden, das offensichtlich nur über persönliche Betroffenheit und das eigene Portemonnaie realisierbar erscheint. Ich bin also pessimistisch aber nicht hoffnungslos. Um den genannten Prozess des Umdenkens zu beschleunigen, muss Politik die notwendige Weitsicht zeigen, darf nicht alles einem auf schnelle Gewinne orientierten „Markt“ überlassen und muss durch eine lenkende und steuernde Gesetzgebung eingreifen. In der Verkehrspolitik müssen klare Prioritäten für Verkehrsvermeidung und Regionalisierung, für Verlagerung auf umweltschonende Verkehrsträger wie der Bahn und für Effizienzsteigerung gesetzt werden. Nur zukunftsweisende innovative Verkehrskonzepte und deren Umsetzung können auch als Modell für beispielsweise China und Indien taugen und bei deren regionaler Umsetzung maßgeblich und global zum Klimaschutz beitragen. Gemäß dem Agenda 21-Motto „Global Denken - Lokal Handeln!“ heißt das für das nördliche Niedersachsen selbstverständlich auf die klimaschädlichen Projekte „Küstenautobahn“ und A39 zu verzichten und stattdessen das Angebot einer regionalen Bahninfrastruktur für den Güter- und Schienenpersonennahverkehr zu verbessern, um nur beispielhaft eine einzige von vielen wichtigen Maßnahmen zu nennen.
2. Nach den Untersuchungen und Aussagen von Klaus Bergmann, Geschäftsführer der esyoil GmbH in Lüneburg, ist der „Peak Oil“ regional längst erreicht. Beispielsweise sind die USA als bedeutendes Erdölförder- und Verbrauchsland bereits seit den 1970er Jahren nicht mehr in der Lage, ihren Bedarf an Öl selbst zu decken. Nicht umsonst reden wir in diesem Zusammenhang über Auseinandersetzungen wie den Irak-Krieg. Viele renommierte Analysten und WissenschaftlerInnen gehen inzwischen davon aus, dass das globale Ölfördermaximum unmittelbar bevorsteht oder bereits erreicht ist. Der Öl- oder der Kraftstoffpreis an der Zapfsäule ist nur ein möglicher Indikator für das Phänomen. Brach der Ölpreis weltweit mit dem Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise drastisch ein, so können wir heute - also mitten in der Wirtschaftkrise bei dramatischen Rückgängen des Welthandels – wieder ein deutliches Steigen der Kraftstoffpreise wahrnehmen. Klar, dass ich für die detaillierte Beantwortung Ihrer Frage gerne auf Experten, wie etwa Herrn Bergmann, verweise.
2a. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit führt das Erreichen des globalen Ölfördermaximums zu drastischen Preissteigerungen im gesamten Bereich der Energieversorgung, ganz direkt aber bei den Kraftstoffkosten an den Tankstellen und damit im Bereich des motorisierten Individualverkehrs (MIV). Als Folge werden die Nachfrage und der Druck auf den öffentlichen Verkehr weiter steigen, insofern ist es Aufgabe des Staates, notwendige Mobilität für alle Menschen zu ermöglichen. Der ÖPNV muss jetzt bedarfsorientiert, schnell und mit Weitsicht ausgebaut werden. Es ist ein Skandal, wenn schon heute beispielsweise eine notwendige Kapazitätssteigerung zwischen Hamburg-Harburg und Hamburg-Hauptbahnhof - Stichwort Hanse-Netz - durch mehr und längere Metronom-Züge wegen fadenscheiniger Argumente nicht mehr möglich sein soll. Wir befinden uns dort in einer Sackgasse aus Interessenskonflikten, besonders mit der DB AG, der Landesnahverkehrsgesellschaft, der Stadt Hamburg, dem Bund und weiteren Akteuren, die an Peinlichkeit und Handlungsunfähigkeit kaum zu überbieten ist. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Heute noch das Auto unter kulturellen Gesichtspunkten zu bewerten, ihm auch in der Zukunft eine zentrale Rolle zuzuweisen und in diesem Zusammenhang ein gut ausgebautes Verkehrssystem zu fordern - wie das gerade viele Sozialdemokraten tun - ist kurzsichtig, phantasielos und losgelöst von jedem Klimaschutzgedanken. Natürlich werden Hybrid- und Elektrofahrzeuge hoch gelobt, wohl wissend, dass Hybridfahrzeuge zwar zu saubereren Innenstädten führen können, der Autoverkehr in Innenstädten aber generell längst der Vergangenheit angehört und die Energiebilanz insgesamt auch nicht viel besser ist, als bei konventionellen Fahrzeugen. Auch die Elektromobilität ist unter Betrachtung der heutigen Energieerzeugung und des Flächenverbrauchs für Verkehrswege - Stichwort Autobahnbau - als hauptsächliches Zukunftskonzept höchst kritisch zu bewerten. Eine soziale Spaltung der Gesellschaft in diejenigen, die sich die Automobilität noch leisten können und diejenigen die sich alltäglich in wenige überfüllte Vorortzüge quetschen müssen oder gänzlich von einer attraktiven Mobilitätsversorgung abgekoppelt werden, darf es nicht geben. Prak Oil beschert uns schon heute im Bereich des MIV und des ÖPNV genau diese Herausforderungen.
Auch im Güterbereich wird die Nachfrage an Transportkapazitäten auf der Schiene weiter steigen. So bevorzugt heute bereits jeder zweite Logistiker einen Standort mit Gleisanschluss für sein Unternehmen. Der Bedarf an Bundesfernstraßen, insbesondere an Autobahnneubauten, wird sich nicht wie in der fehlerhaften Bedarfsermittlung für Verkehrswege prognostiziert, einstellen. Bei einer Beibehaltung der aktuellen und unzureichenden Verkehrspolitik mit Schwerpunkt Straße und der Vernachlässigung der Schiene, wird dem Transportgewerbe jedoch wenig anderes übrig bleiben, als die teuren Autobahnen zu nutzen. Auch das wird gesellschaftlich erhebliche soziale Folgen nach sich ziehen, denn die Erhöhung der Energiekosten wird direkt und ungebremst auf alle Artikel des täglichen Bedarfs durchschlagen.
3. Ich stimme Ihrer Aussage zu, dass per Lkw bis zu zehnmal mehr CO2 ausgestoßen wird, wie beim Transport per Bahn. Genau deshalb ist aus Klimaschutzgründen der Gütertransport per Bahn, insbesondere über längere Strecken, dem per Lkw vorzuziehen. Der Lkw hat trotzdem seine Daseinsberechtigung, und zwar bei der Feinverteilung der Güter, je nach Berechnung etwa bei 60 km und weniger, und bei Spezialtransporten, beispielsweise von Windenergieanlagen.
Mir freundlichen Grüßen
Hans-Christian Friedrichs