Frage an Hans-Christian Friedrichs von Ernst J. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Friedrichs,
trotz der noch recht schmalen Angaben zu Ihrer Person (oder vielleicht gerade deshalb) möchte ich Ihnen einige Fragen zu einem für mich und meine Freunde hier im Bereich Lüneburg-Harburg-Stade wesentlichen Punkt stellen, der für die Gesamtentwicklung unseres Landes in kultureller Hinsicht tiefgreifende Bedeutung hat. Ich fasse diesen Punkt in sieben Fragen an Sie, für deren Beantwortung ich sehr dankbar wäre:
1. Welche Bedeutung hat für Sie die Pflege und Förderung der deutschen Sprache?
2. Sehen Sie auch die Notwendigkeit, dass Gesetze, Verordnungen, öffentliche Verlautbarungen und Benennungen (etwa von Straßen und Plätzen) in klarem, bürgernahem und allgemeinverständlichem Deutsch abgefasst bzw. veröffentlicht werden?
3. Wie stehen Sie zur Einrichtung des so genannten "Immersionsunterrichts" an staatlichen Schulen, bei dem Kinder von der 1. Klasse an in allen Fächern (bei einer Stunde Deutsch pro Tag) nur noch auf Englisch unterrichtet werden, wodurch ihnen die Welt des Wissens und des Handelns in der Schule praktisch nur noch in der Fremdsprache vermittelt wird?
4. Welche Bedeutung hat für Sie die Vermittlung und der Erwerb solider Deutschkenntnisse für die Integration von Zuwanderern und welche politischen Folgerungen ziehen Sie aus Ihrer Bewertung? Ist die gegenwärtige Situation für Sie befriedigend?
5. Sehen Sie die Notwendigkeit einer Gegenwirkung gegen die zunehmende Reduzierung der deutschen Sprache im Bereich der Hochschulen und Universitäten?
6. Wie können Sie dafür sorgen, dass Deutsch im Rahmen der Europäischen Union seiner Bedeutung gemäß (für die größte Sprachgemeinschaft in der EU ist Deutsch die Muttersprache) wenigstens gleichberechtigt neben Englisch und Französisch behandelt wird und dadurch die Nachteile des Mittelstands aufgehoben werden?
7. Wie stehen Sie zu der Forderung, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz zu verankern?
Ich grüße Sie freundlich
Ernst Jordan
Sehr geehrter Herr Jordan,
vielen Dank für Ihre ausführlichen Fragen.
Die „schmalen Angaben“ zu meiner Person habe ich umgehend etwas verbreitert, auf ein Bild werde ich jedoch verzichten und muss Sie bei Bedarf auf eine Darstellung unter www.Hans-Christian-Friedrichs.de verweisen.
Zu Ihren Fragen
1. Welche Bedeutung hat für Sie die Pflege und Förderung der deutschen Sprache?
Die Sprache ist identitätsbildend und daher gesellschaftlich und bildungspolitisch von hoher Bedeutung. Die Pflege und Förderung der deutschen Sprache spielt in meinem Umfeld in der Kommunalpolitik immer wieder eine wichtige Rolle in der Programmatik unserer Kindertagesstätten. „Denglisch“ ist eine Unsitte, die auch mir nicht gefällt, ob Ihre „Soundfiles“ aber „gedownloaded“ oder „herunter geladen“ werden, ist letztlich eine Frage des Zeitgeistes und Privatsache.
2. Sehen Sie auch die Notwendigkeit, dass Gesetze, Verordnungen, öffentliche Verlautbarungen und Benennungen (etwa von Straßen und Plätzen) in klarem, bürgernahem und allgemeinverständlichem Deutsch abgefasst bzw. veröffentlicht werden?
Selbstverständlich ist das wünschenswert. Dazu gehört aber auch der zu reduzierende Gebrauch der so beliebten Abkürzungen. Was halten Sie davon, Abkürzungen wie beispielsweise „StD a.D.“ auszuschreiben und ihre Bedeutung damit noch etwas allgemeinverständlicher zu machen?
3. Wie stehen Sie zur Einrichtung des so genannten "Immersionsunterrichts" an staatlichen Schulen, bei dem Kinder von der 1. Klasse an in allen Fächern (bei einer Stunde Deutsch pro Tag) nur noch auf Englisch unterrichtet werden, wodurch ihnen die Welt des Wissens und des Handelns in der Schule praktisch nur noch in der Fremdsprache vermittelt wird?
Gewiss gibt es Fälle in denen der Schulunterricht schon in der Grundschule vorwiegend in einer Fremdsprache erfolgen könnte. Interessant wäre das für Kinder von Eltern, bei denen feststeht, dass sie zumindest einen Teil ihrer Kindheit im Ausland verbringen werden, also beispielsweise für Kinder von KünstlerInnen, DiplomatInnen, TechnikerInnen oder IngenieurInnen. Das kann ich mir unter ganz bestimmten Umständen auch für eine staatliche Grundschule vorstellen, es bliebe in der Realität aber die absolute Ausnahme, da die Aufgaben einer Grundschule insbesondere in der Vermittlung von Lese- und Schreibkompetenzen liegen und das im Regelfall in deutscher Sprache. Für alle Kinder mit Migrationshintergrund ist das Lernen einer Fremdsprache – für sie ist das hierzulande Deutsch – nach den Prinzipien des Mutterspracherwerbs, also in dem von Ihnen erwähnten „Immersionsunterricht“, übrigens eine Selbstverständlichkeit und da halte ich dieses Prinzip im Sinne einer guten Integration auch für absolut richtig.
4. Welche Bedeutung hat für Sie die Vermittlung und der Erwerb solider Deutschkenntnisse für die Integration von Zuwanderern und welche politischen Folgerungen ziehen Sie aus Ihrer Bewertung? Ist die gegenwärtige Situation für Sie befriedigend?
Die Vermittlung von Sprachkenntnissen – hier Deutsch – ist insbesondere für Migrantinnen und Migranten im Sinne einer guten Integration, gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengleichheit von ganz essentieller Bedeutung. Die Kursangebote an die genannte Zielgruppe müssen regional verbessert werden und mehr auf die Belange der TeilnehmerInnen abgestimmt werden. Hier sind aber gerade Kommunen mit einem hohen Anteil an Migrantinnen und Migranten über Gebühr finanziell belastet. Ein gerechterer Lastenausgleich wäre wünschenswert.
5. Sehen Sie die Notwendigkeit einer Gegenwirkung gegen die zunehmende Reduzierung der deutschen Sprache im Bereich der Hochschulen und Universitäten?
Ganz und gar nicht. Gerade im universitären Bereich gereicht uns eine Internationalität des Lehr- und Forschungsbetriebes zum großen Vorteil. Nahezu jede Universität kooperiert international und nimmt an Austauschprogrammen teil, ein Musterbeispiel ist die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Solche Projekte würden ohne eine
Mehrsprachigkeit gar nicht funktionieren, auch wenn den Studierenden dabei eine gewisse Flexibilität abverlangt wird. Der erhöhte Aufwand lohnt sich – gerade in dieser, unseren globalisierten Welt.
6. Wie können Sie dafür sorgen, dass Deutsch im Rahmen der Europäischen Union seiner Bedeutung gemäß (für die größte Sprachgemeinschaft in der EU ist Deutsch die Muttersprache) wenigstens gleichberechtigt neben Englisch und Französisch behandelt wird und dadurch die Nachteile des Mittelstands aufgehoben werden?
Wieso Deutsch in der Europäischen Union nicht gemäß seiner Bedeutung gleichberechtigt behandelt und dadurch der Mittelstand benachteiligt wird, müssen Sie mir erklären. Die Erkenntnis ist mir neu und diesen Zusammenhang sehe ich nicht.
7. Wie stehen Sie zu der Forderung, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz zu verankern?
Eine interessante Forderung, gewiss. Bevor wir uns aber dieser Aufgabe widmen, haben wir mit Sicherheit weitaus wichtigere Ziele im Grundgesetz zu verankern, den Klimaschutz zum Beispiel. Auch der in Artikel 20a genannte Schutz der „…natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere“ (Umwelt- und Tierschutz) oder beispielsweise das Recht auf körperliche Unversehrtheit – siehe Leukämiefälle in der Elbmarsch - oder das immer mehr ausgehöhlte Recht auf Asyl müssten erst einmal umgesetzt und gelebt werden - aber damit wären wir bei gleich mehreren anderen Themen.
Ein Land ist das, was es spricht und schreibt. Der Axel Springer Verlag schreibt seit Jahren anders als die Schulen es lehren und wir können trotzdem damit leben. Genauso ist es mit der Sprache, sie lässt sich nicht per Gesetz verordnen.
Mit freundlichem Gruß
Hans-Christian Friedrichs