Frage an Hannelore Kraft von Viktor G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kraft,
Sie halten es grundsätzlich für richtig, die bisherige Rundfunkgebühr pro Gerät in einen Beitrag pro Haushalt zu wechseln.
Das von Ihnen angeführte Gutachten von Prof. Dr. Kirchhof ist
im Auftrag der ARD, des ZDF und D Radio erstellt worden um den e i g e n e n Erhalt halbwegs plausibel erscheinen zu lassen.
Wieso bevormundet man die eigenen Bürger und redet denen das angebliche Angewiesensein und die Begünstigung genau durch den ö.-r. Rundfunk, nicht aber durch die freie Presse und das Internet?
Diese verquaste Argumentation könnte ebenso für die Eintreibung von Zwangsgebühren zu Gunsten von Blogbetreibern und Erstellern von Internetseiten herhalten, deren Beiträge allen zugute kommen. Immerhin zeugen die vielfältigen Angebote der Blogs von direkter Demokratie, von einfachen Möglichkeiten der Meinungsäußerung und -verbreitung sowie von der Mitbeteiligung der Bürger in Diskussionsprozessen. Die riesigen Apparate der Rundfunkanstalten hingegen sind hierarchisch strukturiert, ihre Räte von Parteifunktionären besetzt.
Ist der ö.-r. Rundfunk ein Element für das Funktionieren unserer Demokratie und muss deshalb bezahlt werden durch eine Zwangsgebühr? Da stellt sich die Frage, wie Demokratie vor dem medialen Zeitalter überhaupt funktionieren konnte und ob die DDR angesichts zweier Fernsehkanäle doch - und nicht nur dem Namen nach - ein demokratisches Regime war.
Warum kann für die "öffentlich-rechtlichen" Sendeanstalten nicht das gleiche Prinzip gelten, welches bei Pay-TV und Musikdownloads Anwendung findet? Fürchtet der ÖRR im freien Wettstreit die Konsumentenschar und den Einfluss zu verlieren?
Wer konsumieren will, der konsumiere, wer für seinen Konsum "pro Tag ein paar Cent" ausgeben will, soll das machen. Jeder Bürger sollte das Recht haben, für eine von ihm frei gewählte Flatrate "gern zahlen" zu dürfen. Wieso verweigern Sie den Bürgern die Entscheidungsfreiheit und bevormunden sie mit Zwangsgebühren?
Schöne Grüße
Viktor Grund
Sehr geehrter Herr Grund,
für Ihre Anfrage zur Rundfunkfinanzierung danke ich Ihnen.
Ich sehe in dem Beitragsmodell eine sachgerechte und zukunftsfähige Lösung für den Erhalt und die Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wie Sie dem Gutachten von Herrn Prof. Dr. Kirchhof entnehmen können, entspricht es auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben einen Anspruch auf eine ausreichende Finanzausstattung unabhängig von den Nutzungsgewohnheiten der Rundfunkteilnehmer. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das aus Artikel 5 Grundgesetz eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ableitet. Derzeit zahlt jeder, der ein Rundfunkgerät zum Empfang bereit hält, Rundfunkgebühren. Allerdings ist es fraglich, ob mit den Gebühreneinnahmen die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks langfristig sichergestellt werden kann. Deshalb soll ab 2013 jeder Haushalt einen Beitrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk leisten. Schließlich haben alle in einem Haushalt lebenden Personen die Möglichkeit, die vielfältigen Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu nutzen. Ich halte es deshalb für richtig, dass zukünftig jeder Haushalt zur solidarischen Finanzierung der Angebote beiträgt.
Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Kraft