Frage an Hannelore Kraft von Georg N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kraft,
Sie schreiben weiter oben:
"Auch deshalb haben wir dafür gesorgt, dass Integrationskurse und Deutschkurse für Einwanderer mittlerweile Pflicht sind."
Zu diesen Integrationskursen habe ich einige Fragen:
1. wie finden Sie es, dass die DozentInnen dort mit sittenwidrigen Dumpinghonoraren abgespeist werden?
2. Wie finden Sie es, dass der Staat den Trägern so wenig zahlt, dass die Träger dauernd kurz vor dem Ruin stehen?
3. Wie finden Sie es, dass der Staat den TeilnehmerInnen kein Fahrgeld auszahlt und die Fahrgelderstattung ab sofort komplett abgeschafft hat? (Quelle: http://www.daz-netzwerk.de , oberster Link).
Der Staat läßt die Integrationskurse verrotten. Lohnwucher, miese Arbeitsbedingungen, ungenügende Kommunikation sind normal. Das geht schon seit Jahren durch die Presse. Von Politikern der SPD und der CDU hört man nur, dass die Integrationskurse ganz toll laufen. 15.000 DozentInnen und 1490 Träger sind ziemlich angenervt von dem, was insbesondere das BAMF veranstaltet.
Ich möchte gerne von der SPD konkrete Vorstellungen hören, wie man eine seriöse Integrationspolitik machen kann. Was können Sie (am besten im Bundesrat) gegen die sittenwidrige Bezahlung unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen
Niedermüller
Sehr geehrter Herr Niedermüller,
das in Ihren Schreiben kritisierte Honorarsystem stand von Beginn an in der Diskussion und wurde von vielen Kursträgern als nicht kostendeckend angesehen. Auch Rambøll-Management, der vom Bund beauftragte Evaluator der Integrationskurse, hat eine Erhöhung der Stundenvergütung empfohlen, um die Qualität der Kurse zu verbessern und für eine angemessene Honorierung der Lehrkräfte zu sorgen.
Mit der Ende 2007 in Kraft getretenen Novellierung der Integrationskursverordnung und der damit u.a. einhergehenden Erhöhung des Stundensatzes auf 2,35 € pro Teilnehmer hat der Bund auf die Kritik reagiert. Neben der qualitativen Verbesserung der Kurse war ein Ziel der Novellierung, den Sprachkursträgern eine Anhebung der Honorare zu ermöglichen. Dies war auch von der nordrhein-westfälischen Landesregierung gefordert worden.
Dieses zweite Ziel ist nicht im erhofften Umfang realisiert worden. Die Kursträger haben offenbar nur einen geringen Teil der Erhöhung zur Verbesserung der Lehrkräftevergütung verwendet.
Nach einem weiteren Gutachten von Rambøll-Management zum Finanzierungssystem der Integrationskurse aus Dezember 2009 bewegt sich die von der Mehrheit der befragten Träger bezahlte Lehrkräftevergütung zwischen 15 € und 30 € pro Unterrichtseinheit. Der für die Gesamtheit der Kursträger ermittelte Mittelwert liegt bei 18,35 €; dies bedeutet im Vergleich zu anderen Berufsgruppen mit ähnlichen Anforderungen in der Tat eine unterdurchschnittliche Vergütung von Lehrkräften in Integrationskursen.
Auch wenn Ihre Einschätzung, dass die Dozentinnen und Dozenten "mit sittenwidrigen Dumpinghonoraren abgespeist" würden und die Träger "dauernd kurz vor dem Ruin" stünden, im Rambøll-Gutachten keine grundsätzliche Bestätigung findet, hält die nordrhein-westfälische Landesregierung eine angemessene Bezahlung der Lehrkräfte für zwingend erforderlich. Auch eine Rücknahme der vom BAMF im laufenden Jahr ergriffenen Maßnahmen zur Steuerung der Ausgaben bei den Integrationskursen, die zum Teil dazu führen, dass sich das Integrationskursangebot und damit auch die Situation der Lehrkräfte verschlechtert, wird aus Sicht der Landesregierung als notwendig erachtet. Dies gilt insbesondere für die Einschränkungen bei der Kursaufnahme von Zugewanderten, die freiwillig an einem Integrationskurs teilnehmen möchten.
Dies hat Integrationsminister Guntram Schneider in einem Gespräch mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sehr deutlich gemacht. Auf Anregung Nordrhein-Westfalens wird sich auch die Integrationsministerkonferenz mit der Thematik befassen.
Lassen Sie mich abschließend die Gelegenheit nutzen, Ihnen für Ihre Arbeit "an der Basis" herzlich zu danken und Sie zu ermutigen, Ihr hohes Engagement bei der Ausübung Ihrer wichtigen Aufgabe aufrecht zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Kraft