Frage an Hannelore Kraft von Felix H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Kraft,
ich möchte hiermit zwei Fragen an Sie richten, die sich mir in letzter Zeit aufgedrängt haben.
1.)
Vor der Bundestagswahl wurde von der SPD die Steuersenkungspolitik von schwarz-gelb scharf kritisiert.Oft wurde auf die katastrophalen Staatsfinanzen verwiesen, die sich seit der Euro-Rettung noch verschlechtert haben dürften. Gerade diese Euro-Krise hat doch gezeigt, wie elementar gesunde Staatshaushalte sind. Jetzt lese ich in den Zeitungen, dass der, von Ihnen mitbeschlossene , Koalitionsvertrag NRW eine Rekordverschuldung bringen soll. Ist diese enorme Neuverschuldung - auch wenn damit teilweise gute Dinge bewegt werden - überhaupt verantwortbar?
2.)
Wie heute nachzulesen war haben Sie und Ihre Fraktion die Abgeordnete Gunhild Böth der Linkspartei zur Landtagsvizepräsidentin gewählt. Diese Person hat öffentlich behauptet die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen und hat unterstellt, sie sei ein durchaus demokratisches und antifaschistisches Projekt gewesen. Daher die Frage: Wieso wählen Sie eine Politikerin in ein solches Amt, an deren demokratischer Gesinnung durchaus berechtigte Zweifel bestehen dürfen? Und wird so durch die Hintertür doch noch ein rot-rot-grünes Bündnis vorbereitet?
Allerdings möchte ich Ihnen trotz alledem meinen höchsten Respekt dafür ausdrücken, dass sie - entgegen anderslautender Forderungen von diversen Seiten - ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis für NRW ausgeschlossen haben.
Auf eine ehrliche Antwort auf meine Fragen freue ich mich und bedanke mich im Vorraus.
Mit freundlichen Grüßen
F. Herbort
Sehr geehrter Herr Herbort,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne beantworte.
Zu Ihrer 1. Frage:
Die schwarz-gelbe Landesregierung hat uns eine schwere Hypothek hinterlassen, denn die von ihr veranschlagte Netto-Neuverschuldung für 2010 war erheblich zu niedrig angesetzt. Ganz offensichtlich sollte im Wahljahr unter allen Umständen eine neue Rekordverschuldung verhindert werden. Die Wahrheit über den Haushalt wurde verschleiert: Die Einbrüche bei den Steuereinnahmen sind von CDU und FDP viel zu niedrig angesetzt worden, die Vorsorge bei den Risiken der WestLB und für die zukünftigen Pensionslasten wurden vernachlässigt, das Kibiz ist deutlich unterfinanziert, die Rückerstattung zu hoher Zahlungen der Kommunen für den Aufbau Ost wurde den Städten und Gemeinden seit Jahren vorenthalten und der Öffentlichkeit wurde eine Lehrerlücke verschwiegen.
Die rot-grüne Landesregierung ist deshalb gezwungen, einen Nachtragshaushalt für 2010 zu verabschieden. Wir müssen einen Kassensturz machen und eine Schlussbilanz von Schwarz-Gelb aufstellen. Sie wird deutlich machen, dass die Neuverschuldung im Jahre 2010 nicht - wie vom ehemaligen Finanzminister veranschlagt - bei 6,6 Milliarden Euro liegt. In Wahrheit gibt es eine Hypothek von über neun Milliarden Euro. Die Anhebung der Neuverschuldung für dieses Jahr geht damit allein auf das Konto der alten Landesregierung. Erst im Haushalt für das kommende Jahr 2011 werden wir dann separat unsere Investitionen in eine gute Zukunft für unser Nordrhein-Westfalen vorsehen. So wird für jede und jeden die Trennung deutlich zwischen der schwarz-gelben Erblast und dem rot-grünen Zukunftsplan für Kinder, Familien und Kommunen.
Diese Situation stellt uns vor gewaltige Aufgaben. Wir müssen in den kommenden Jahren konsolidieren. Schon im nächsten Jahr muss und wird die Neuverschuldung wieder sinken. Das kann gelingen, weil ein Teil der Positionen im Nachtragshaushalt Einmaleffekte sind, die wir nicht über die nächsten Jahre weitertragen müssen. Wir wollen und müssen aber gleichzeitig dafür sorgen, dass unsere zentralen politischen Ziele umgesetzt werden können. Deshalb werden wir im Haushalt 2011 einen Betrag von einer Milliarde Euro zusätzlich aufwenden, den wir fast ausschließlich in die Bereiche Kinder, Bildung und Vorsorge in den Kommunen investieren. Dieses Geld ist gut angelegt, denn so finanzieren wir eine gute Zukunft für NRW. Wir werden mittelfristig nur Ausgaben senken können, wenn wir heute an den richtigen Stellen investieren. CDU und FDP entlasten Hoteliers und Besserverdienende - wir entlasten Studenten, Familien und notleidende Städte und Gemeinden. Ich bin fest davon überzeugt, dass es richtig ist, diese Investitionen vorzunehmen - auch wenn sie zunächst über Kredite finanziert werden müssen. Wenn wir dieses Geld heute nicht aufwenden, werden wir in den kommenden Jahren teuer dafür bezahlen müssen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hieß es immer, Banken seien systemrelevant und darum müsse man sie mit riesigen Milliardensummen retten. Doch dann gilt das auch für unsere Kinder. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist Bildung systemrelevant.
Zu Ihrer 2. Frage:
Die Mitglieder der Landtagsfraktion der Linken sind demokratisch gewählt. Jeder Fraktion sollte unseres Erachtens eine Vizepräsidentenposition zur Verfügung stehen. Über die Person entscheiden alle Fraktionen selbst.
Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Kraft