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Frage von Thomas W. •

Frage an Hannelore Kraft von Thomas W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Kraft,

in diesem Jahr steckt die Bundesagentur für Arbeit aus der Versicherungskasse 4,2 Milliarden Euro in die berufliche Integration von Kurzzeit-Arbeitslosen.
Hinzu kommen 6,6 Milliarden Euro aus der Staatskasse für die Weiterbildung von Hartz-IV- Empfängern. Dabei sind diese Ausgaben bei fast allen Experten sehr fraglich
Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt plädiert dafür das „Dickicht der Fördermaßnahmen“ zu lichten weil diese zu bürokratisch, intrasparent und unflexibel sind.

Was wollen Sie tun, damit die Weiterbildungs- und Qualifizerungsprogramme nicht zum Selbstzweck verkommen?

Werden Sie bei einem Wahlsieg die Weiterbildungsindustrie verkleinern, da Deutschland eine Fachkräfte-Lücke droht?
Die Unternehmen werden in naher Zukunft jede verfügbare Arbeitskraft nehmen und selber dafür sorgen, daß sie qualifizert wird. Da braucht es dann keine Steuergelder mehr für fragliche Weiterbildungsmaßnahmen wie EDV-Kurse, Gabelstapler-Schulung oder einen zweiwöchigen Lehrgang „Wie schreibe ich einen ordentlichen Lebenslauf“.

Wie stehen Sie dazu, daß die Weiterbildung nicht länger die höchste Priorität hat, sondern durch verkürzte Fristen Arbeitslose zur schnellen Jobsuche zu bewegen?

Wollen Sie weitere Steuergelder ausgegeben durch eine weitere Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, garniert mit, vom Steuerzahler subventionierter Weiterbildung?

Mit freundlichen Grüssen

Thomas Weber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weber,

ich bedanke mich für Ihre Anfrage zum Thema berufliche Weiterbildung. Darin kritisieren Sie die hohen Ausgaben für berufliche Integrationsmaßnahmen, berufliche Weiterbildungen für Kurzzeit- und Langzeitarbeitslose als zu bürokratisch, intransparent und unflexibel.

Es wird richtigerweise sehr viel Geld für Maßnahmen der beruflichen Integration von der Bundesagentur für Arbeit investiert. Daraus aber den Schluss zu ziehen, diese Gelder einzusparen und sich auf die Initiative der Unternehmen zu verlassen, was die Bewältigung des Fachkräftemangels angeht, halten wir für nicht zielführend.

Wir haben uns in unserem Konzept einer fairen Arbeitsmarktpolitik auf einen stärkeren Fokus für berufliche Qualifizierung verständigt. Qualifizierung muss viel mehr zu einem Anreizsystem werden und den arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen genügen.

Denn Deutschland befindet sich in einer außergewöhnlich schwierigen Situation: während die Arbeitslosigkeit in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise steigt, nimmt zugleich der Fehlbedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu. Weil für die Zukunft unseres Landes die Qualifikation der Beschäftigten eine große Bedeutung hat und es deshalb vernünftig ist, im Rahmen der Arbeitsförderung Qualifikationsansprüche und -angebote auszubauen, sollte das auch Folgen für die Leistungsansprüche der Arbeitslosen haben. Deshalb soll der Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld I wegen der Teilnahme an solchen berufsqualifizierenden Maßnahmen um bis zu sechs Monaten verlängert werden; bei anspruchsvollen Qualifizierungen um bis zu 12 Monaten.

Zu diesem Zwecke müssten die Bürgerinnen einen Anspruch auf eine qualifizierte Beratung über ihren beruflichen Qualifikationsbedarf durch die Bundesagentur für Arbeit oder von ihr beauftragte qualifizierte Berater erhalten. In diesem Sinne ist die Bundesagentur zu einer Arbeitsversicherung weiterzuentwickeln. Ein großer Teil der beruflichen Qualifikation und Weiterbildung in den Betrieben wird heute von den Unternehmen finanziert. Das muss auch so bleiben. Öffentliche Förderung und gesetzliche Regelungen müssen deshalb dort anknüpfen, wo es nicht um originär von Unternehmen wahrgenommene Aufgaben beruflicher Qualifikation geht. Deshalb macht es Sinn, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu fördern, die keine berufliche Qualifikation haben und die in ihrem Unternehmen einen Berufsabschluss in der Tätigkeit erwerben wollen, die sie im Unternehmen verrichten. Eine solche Qualifikation muss auch unterstützt werden, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in dem Beruf, den sie einst gelernt haben, tätig sind und nun einen Berufsabschluss in dem ausgeübten Beruf anstreben. Und wo Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jahrelang berufstätig waren, sich das Berufsbild aber geändert hat, muss eine Anpassungsqualifizierung auf das heutige Niveau der beruflichen Ausbildung angeboten werden.

Die Arbeitszeitkonten sind als ein betriebliches Instrument zu Weiterbildungsförderung weiterzuentwickeln. Entsprechend sollte die öffentliche Förderung für Arbeitssuchende ausgestaltet sein.

- Wer keinen Schulabschluss hat, soll das Recht haben, ihn im Rahmen der Qualifizierung für die Arbeitsförderung nachzuholen.

- Wer keinen Berufsabschluss hat, soll das Recht haben, einen vollständigen Berufsabschluss nachzuholen, in einem Beruf, der den eigenen Fähigkeiten entspricht und Chancen auf Beschäftigung im Arbeitsmarkt eröffnet.
- Wer jahrelang in einem Beruf tätig war, dessen berufliche Qualifikation er nicht erlernt hat, soll als Arbeitssuchender die Möglichkeit erhalten, eine vollberufliche Qualifizierung in dem Beruf der bisherigen Tätigkeit zu erreichen.

- Und wo sich das Berufsbild im Laufe der Jahre geändert hat, soll Anspruch auf eine Anpassungsqualifizierung bestehen.

Mit freundlichen Grüßen

Hannelore Kraft