Wie stehen sie zum Neutralitätsgesetz und der Forderung nach einem Kopftuchverbot für muslimische Mädchen unter 14 Jahren in der Schule und im Kindergarten?
Sehr geehrte Frau M.,
danke für Ihre Frage.
In Bezug auf den Schuldienst untersagt das 2005 verabschiedete Berliner Neutralitätsgesetz Lehrkräften an öffentlichen Schulen (mit Ausnahme von Berufsschulen und Einrichtungen des Zweiten Bildungswegs) das Tragen sichtbarer religiöser oder weltanschaulicher Symbole. Dieses Gesetz ist seit langem vor allem wegen seiner Auswirkung auf Menschen, für die bestimmte Arten, sich zu kleiden, Teil des religiösen Selbstverständnisses sind, umstritten. Betroffen sind vor allem muslimische Frauen, aber auch unter orthodoxen Juden oder Sikh gibt es Bekleidungsvorschriften, die dem Gesetz entgegenstehen würden. Als unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2015 ein pauschales Verbot religiöser Bekleidung verboten. Dementsprechend wird auch seit diesem Jahr das Gesetz in Berlin für Lehrkräfte nicht mehr angewandt. Ich teile die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und trete dafür ein, dass auch an Schulen die Religionsfreiheit von Lehrkräften und Schüler:innen gewährleistet ist.
Und auch jenseits von rechtlichen Überlegungen: Ich halte ein Schulsystem, in dem Kinder erleben, dass Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Hintergründen gemeinsam für gute Bildung eintreten, für erstrebenswert. Gute Lehrkräfte vermitteln Kindern Wissen, sie wecken Neugierde und Freude am Lernen. Sie begleiten Kinder auch in ihrer freiheitlichen Persönlichkeitsentwicklung. Daran müssen sich alle Lehrkräfte, unabhängig von ihrer Kleidung, messen lassen und es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, warum z.B. Frauen mit Kopftuch diesen Anforderungen weniger gerecht werden sollten als andere Menschen.
Forderungen nach einem Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahre lehne ich ab. Staatliche Kleidungsvorschriften sind aus meiner Sicht nicht Teil des Bildungsauftrags. Schulen müssen sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Potenziale entfalten – unabhängig davon, wie sich Schülerinnen und Schüler kleiden.
Mit freundlichen Grüßen
Hakan Demir