Portrait von Gunther Krichbaum
Gunther Krichbaum
CDU
91 %
21 / 23 Fragen beantwortet
Frage von Jan W. •

Unterstützung von Antrag auf Überprüfung eines AfD-Verbots

Guten Tag Herr Krichbaum,
nächste Woche wird der Antrag, ihres Parteikollegen Marco Wanderwitz, auf Überprüfung eines AfD Verbots im Bundestag beraten.
Wie stehen sie zu diesem Antrag?
Wie planen sie mit der AfD umzugehen? Gerade vor dem Hintergrund, dass die AfD bei der letzten Wahl in Pforzheim erschreckend hohe Ergebnisse eingefahren hat.
Folgen Sie ihrem Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten in seinem Kurs weiter rechte Rhetorik zu übernehmen in der Hoffnung, von der Diskurs- und Wahlverschiebung nach rechts profitieren zu können?
Welchen Umgang mit den Grünen planen Sie? Bevorzugen Sie hier eher Söders Wortwahl oder eher Günthers Ton?

Vielen Dank im voraus für die Beantwortung der Fragen.

Mit freundlichen Grüßen
Jan W.

Portrait von Gunther Krichbaum
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Auch in meinen Augen gehört die AfD in keine Machtposition. Allerdings teile ich Ihre Auffassung nicht, dass jetzt die richtige Zeit für einen Verbotsantrag wäre. Gerne möchte ich Ihnen dies näher erläutern.

Gemeinsam mit der überragenden Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion halte ich den Versuch eines Verbots der AfD zum jetzigen Zeitpunkt für juristisch nicht erfolgversprechend und politisch kontraproduktiv. Folgende Erwägungen waren für diese Entscheidung handlungsleitend:

(1) Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind mit Blick auf die AfD – zumindest derzeit – aller Voraussicht nach nicht erfüllt. Zwar führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall auf Rechtsextremismus. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Einschätzung bestätigt. Eine Einstufung als „Verdachtsfall“ ist aber nicht gleichzusetzen mit den – erheblich höheren – Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an das Verbot einer politischen Partei stellt. Wir gehen vielmehr davon aus, dass bei der AfD die Voraussetzungen eines Parteiverbots (noch) nicht erfüllt sind und die Verfassungsschutzämter nicht über hinreichendes Beweismaterial für ein Verbotsverfahren verfügen.

(2) Das Verfahren zum Verbot einer politischen Partei dauert – selbst im Erfolgsfall –mehrere Jahre. Bei der NPD hat es vier Jahre gedauert. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall eines erfolgreichen Verbotsantrags könnte sich die AfD nicht nur an der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 sondern vermutlich auch noch an der Wahl 2029 beteiligen und sich dabei als vermeintliche „Märtyrer“ inszenieren.

(3) Darüber hinaus fehlt dem Gruppenantrag die erforderliche Tatsachengrundlage in Form einer umfassenden Materialsammlung. Eine solche könnte nur durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz erstellt werden - erst auf einer solchen Grundlage kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden. Überdies verlangt das Bundesverfassungsgericht, vor Einleitung eines Verbotsverfahrens „strikte Staatsfreiheit“ gegenüber der betroffenen Partei herzustellen. Das bedeutet: Die Begründung eines Verbotsantrages darf nicht auf Beweismaterialien gestützt werden, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist. Eine entsprechende Garantie vermögen allerdings nur die Bundesregierung respektive die Landesregierungen zu geben. Sie allein vermögen deshalb einen überzeugenden Beweisantrag zu erarbeiten.

(4) Zudem müssen wir auch die möglichen Folgen eines Scheiterns des Verbotsantrags bedenken: Die AfD erhielte faktisch ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“, eine verfassungsgemäße Partei zu sein – dieses Risiko einzugehen, halten wir für nicht vertretbar. Ihr Vergleich mit der Vergewaltigung wird dem Ernst der Sache nicht gerecht.

(5) Schließlich gilt: Wir halten es für einen Trugschluss zu glauben, die Zustimmung zur AfD ließe sich „wegverbieten“. Die politischen Kräfte der demokratischen Mitte müssen die AfD stattdessen politisch und inhaltlich stellen. Wir wollen keine Symptombehandlung, sondern Ursachenbekämpfung: Die drängenden politischen Probleme Deutschlands müssen gelöst werden, um dem in der Bevölkerung weit verbreiteten Frust gerecht zu werden. Altbundespräsident Joachim Gauck bringt es auf den Punkt: Ein Verbotsverfahren würde „noch mehr Wut und noch mehr Radikalität erzeugen – und das wäre politisch schädlich“. 

Nach intensiver Abwägung der rechtlichen und politischen Argumente sehe ich daher keine ausreichende Grundlage für ein erfolgreiches Verbotsverfahren. Die politische und inhaltliche Auseinandersetzung ist der geeignete Weg, um die AfD zu stellen. Die Lösung liegt in der Bewältigung politischer und gesellschaftlicher Probleme, nicht im Versuch eines Verbots.

Mit freundlichen Grüßen

Gunther Krichbaum

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Gunther Krichbaum
Gunther Krichbaum
CDU