Frage an Gunther Krichbaum von Leonhard H. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Krichbaum,
vielen Dank für ihre schnelle, und sehr gute Antwort auf meine Fragen.
Für mich ergeben sich dabei allerdings zwei weitere Fragen, zu denen mich ihre Einschätzung interessieren würde:
Zunächst geht es um folgende Aussage
"Wenn die Mitgliedsstaaten bei den Beitrittsverhandlungen auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien pochen, sich selbst aber nicht daran halten, läuft etwas falsch."
Aber das ist doch so, oder? Also läuft tatsächlich etwas falsch.
Welche konkreten Maßnahmen werden denn geplant, um dieses "Falschlaufen" in Zukunft zu verhindern? Meiner Meinung nach kann es übrigens nicht sein, dass Länder die Gewaltenteilung (z. B. Polen) und die Pressefreiheit (Polen, Ungarn ...) einschränken, und überhaupt noch Geld von der EU bekommen. Wer sich nicht an die Regeln hält, sollte rausfliegen, oder wenigstens gar kein Geld mehr bekommen. Die CDU fordert ja auch, dass sich Ausländer in Deutschland an die Regeln halten müssen, oder mit Ausweisung oder Streichung der finanziellen Leistungen zu rechnen haben (https://www.cducsu.de/themen/innen-recht-sport-und-ehrenamt/straffaellige-auslaender-schneller-ausweisen)
Es kann doch nicht sein, dass auf so kleiner Ebene hart durchgegriffen wird, aber wenn ganze Länder gegen wichtigste Grundsätze verstoßen (Rechtsstaatlichkeit ist ja die "DNA" der EU), keine wirksamen Maßnahmen getroffen werden können, sondern diese Länder trotzdem noch Geld aus Brüssel bekommen. Wenn es nicht möglich ist, wirksame Mittel dagegen zu finden und umzusetzen, wie soll die EU in Zukunft dann noch funktionieren?
(^^ nicht dass es falsch rüberkommt, ich bin natürlich auch dafür, dass sich Ausländer an die Regeln halten müssen und bei Verstößen belangt werden, aber dieses Prinzip sollte aus Gründen der Logik dann doch auch auf großer Ebene angewendet werden müssen)
Und 2. :
"Dies kann aber nur funktionieren, wenn die Mitgliedsstaaten auch von einem europäischen Mehrwert überzeugt sind. Geld kann dabei kaum etwas bewirken."
Gerade in Kombination mit dem Zitat "Politik beginnt mit dem betrachten der Wirklichkeit", stellen sich mir daraufhin zwei Fragen:
Kann Geld wirklich kaum etwas bewirken? Beim Brexit zum Beispiel, wurde doch medienwirksam behauptet, das Vereinigte Königreich würde jede Woche 350 Mio. Pfund an die EU überweisen, was mit Sicherheit die Meinung der britischen Bürger und die Politik zuungunsten der EU beeinflusst hat. Umgekehrt könnte man doch den Erhalt von Geldern von der EU medienwirksam aufbereiten und darauf aufmerksam machen, wie stark diese der Bevölkerung zu Gute kommen, und was alles Tolles mit diesem Geld gemacht werden kann. Dadurch würde sich die Einstellung der Menschen bestimmt zugunsten einer starken EU beeinflussen lassen. Und ich bin zwar noch jung (20), aber eine Aussage, laut der Geld nur kaum auf eine politikbezogene Angelegenheit Einfluss nehmen kann, ist doch schwer für mich zu glauben. Gefühlt lässt sich in der Politik doch fast alles mit Geld erreichen. (Saudi-Arabien kauft Waffen von Amerika im Wert von mehreren Milliarden Dollar, und kann dann Journalisten wie Khashoggi brutal ermorden ohne wirksam bestraft zu werden; Die Autoindustrie ist wirtschaftlich wichtig für Deutschland und wird deswegen kaum für den Diesel-betrug bestraft, usw. )
Außerdem ein letzter Gedanke: Wenn die Anerkennung des Mehrwerts der EU durch die Mitgliedsstaaten eine Grundvoraussetzung für eine stärkere Zusammenarbeit (z. B. bei der Verteidigungspolitik) ist, und man bei der Politik mit dem Betrachten der Realität beginnt, wie wahrscheinlich ist es dann, dass diese stärkere Zusammenarbeit in absehbarer Zukunft stattfinden wird? Also theoretisch betrachtet wäre es natürlich toll, wenn man die Einigung der EU deshalb vorantreiben könnte, weil alle Europäer das richtig toll finden, aber im Moment sieht es eben nicht danach aus. Ein stärker geeintes Europa brauchen wir aber trotzdem. Gerade in Zeiten wo sich andere globale Mächte wie China und die USA nicht gerade mit Zuverlässigkeit und Rechtsstaatlichkeit glänzen (Unterdrückung von Aufständen, Abzug von Truppen aus Deutschland, Beschneidung der Autonomie Hong-Kongs, Internierung von Uiguren,...), ist es doch geradezu zwingend notwendig ein starkes und möglichst geeintes Europa zu haben, welches auf Augenhöhe mitreden und moderierend wirken kann, oder?
Also ihre Skepsis verstehe ich schon, aber ich denke Geld, insbesondere wenn man es eben medienwirksam aufbereitet, hat größeren Einfluss als Sie meinen, und es ist wichtig ein geeinteres und stärkeres Europa zu bauen, anstatt sich von antieuropäischen Kräften davon abhalten zu lassen und zu warten, bis wirklich alle diese Idee toll finden. (Falls das überhaupt irgendwann passiert)
Was denken sie dazu? Müssen wir warten, bis wirklich jeder von der europäischen Idee überzeugt ist, selbst wenn das nie passiert, oder sollte man jetzt schon versuchen die EU zu stärken, um Europa weniger abhängig von der USA und global besser zu positionieren?
Mit freundlichen Grüßen,
Leonhard Hoffmann
PS: Ich bin derzeit noch in keiner Partei engagiert, möchte aber gerne für mehr Klimaschutz und ein stärkeres Europa eintreten, denken sie es wäre die richtige Entscheidung zu den Grünen zu gehen (aufgrund des Klimaschutz-Aspektes) oder denken sie ich könnte auch z. B. bei der CDU etwas bewegen? (Ich weiß, dass das eine Entscheidung ist, die ich selber treffen muss, aber aufgrund ihrer letzten Antworten halte ich sie für einen sehr fähigen Politiker und ihre Meinung interessiert mich. Außerdem kennen sie die CDU ja von innen und wissen vllt. ob es möglich ist sich auch da sinnvoll für Klimaschutz zu engagieren oder ob das verschwendete Mühe wäre, weil die Mehrheit die Wirtschaft priorisiert)
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
gerne gehe ich auf Ihre Nachfragen. Bitte haben Sie aber Verständnis, dass ich mich so kurz vor den Sommerferien etwas kürzer halte.
Sie sprechen den entscheidenden Punkt an: In der Vergangenheit war es schlicht nicht vorstellbar, dass Staaten, die Mitglieder der EG/EU wurden, nach dem Beitritt Rückschritte in der Rechtsstaatlichkeit machen. Paradebeispiele hierfür sind die früheren Diktaturen Portugal, Spanien und Griechenland, die ihre Demokratien durch die Mitgliedschaft Stück für Stück weiter entwickeln konnten.
Leider hat sich dies verändert und leider betrifft dies nicht nur Polen und Ungarn, sondern z.B. auch Malta. Der Vertrag von Lissabon enthält hierfür lediglich Artikel 7, der oft als "Atombombe" bezeichnet wird: Er besteht, wird aber niemals eingesetzt. Denn er benötigt eine Einstimmigkeit. Deshalb schlug der damalige Haushaltskommissar Oettinger ja bereits vor einigen Jahren vor, die Mittelzuweisungen an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit zu knüpfen. Es freut mich sehr, dass das Europäische Parlament in diesem Punkt Nachverhandlungen verlangt und die Kommission bereits erklärt hat, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen. Wie gesagt: ich hätte mir hier mehr gewünscht. Letztlich können die Regeln aber immer nur gemeinsam verändert werden.
Ein Wort zum Geld: Sicher ist es in vielen EU-Staaten sehr gut angekommen, dass Deutschland bei den Verhandlungen nicht auf einen höheren Beitragsrabatte gedrungen hat, so wie dies z.B. Österreich und die Niederlande taten. In dieser außergewöhnlichen Zeit war Solidarität gefragt.
Ich freue mich natürlich, wenn für Sie als junger Mensch auch die CDU bzw. in Ihrem Fall wohl die CSU für eine Mitgliedschaft in Frage kommt. Ich erinnere in Diskussionen zum Klimaschutz immer wieder daran, dass es Angela Merkel als Umweltministerin war, die das Pariser Klimaabkommen zum Erfolg geführt hat. Allerdings - das gebe ich selbstkritisch zu - haben wir den Klimaschutz in den letzten Jahren manchmal etwas stiefmütterlich behandelt. Ihre örtlich zuständige Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber würde sich sicher über eine Kontaktaufnahme durch Sie sehr freuen. Sie ist Obfrau unserer Fraktion im Umweltausschuss des Bundestages und daher für Sie genau die richtige Ansprechpartnerin. Sie kann Ihnen auch erläutern, wo Sie sich vor Ort in der CSU engagieren können.
Mit freundlichen Grüßen
Gunther Krichbaunm