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Gunther Krichbaum
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Frage von Patrick W. •

Frage an Gunther Krichbaum von Patrick W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Herr Krichbaum,

Die Frage richtet sich jedoch explizit an Sie als Mitglied des Europäischen Ausschusses, da es eine Frage europäischer Interessen ist.
Da kürzlich wieder ein Boot von Flüchtlingen aus Nordafrika an der italienischen Küste eingetroffen ist und sich die italienische Regierung mit dem Problem überfodert fühlt, stellt sich mir die Frage, warum die anderen europäischen Staaten sich nicht solidarisch zeigen und Italien anbieten, einige dieser Flüchtlinge aufzunehmen?
Ich habe letztes Jahr in der Schule meine Facharbeit über den EU- Reformvertrag von Lissabon geschrieben und bin dabei auf das sog. Subsidiaritätsprinzip gestoßen. Ich musste lange recherchieren, wie dieses Prinzip in seiner Rechtswirklichkeit auszusehen hat. Nach meinem Verständins bedeutet es, dass die Europäische Union einem Mitgliedsstaat bei Problemen entgegenkommt, die es selber nicht lösen kann, jedoch von europäischer Bedeutung sind. Und eben diese Eigenschaften treffen auf das Flüchtlings- "Problem" zu.
Wäre es hier nicht angebracht eine europaweite Koordination zu veranlassen, die Flüchtlingen sowie Italien helfen könnte?
Oftmals sind es politische Flüchtlinge, aber auch Wirtschaftsflüchtlinge, die ihre Chance auf dem europäischen Arbeitsmarkt suchen.
Länder wie Deutschland wehren sich strikt dagegen Italien bei diesem Problem zu helfen, aber was wäre, wenn diese Staaten selbst in solch eine Lage geräten? Könnten sie dann Hilfe verlangen?
Es ist zwar wahrscheinlich, dass ein Domino-Effekt entsteht, wenn wir den Flüchtlingen Asyl in Europa gewähren würden. Was denken Sie darüber? Ist es verantwortbar Italien mit seinem Problem alleine zu lassen? Ist zu befürchten, dass die europäische Idee eines freien Personenverkehrs im Angesicht dieser Situation zu scheitern droht?

Vielen Dank schonmal im Voraus,

mit freundlichen Grüßen,

Partrick Wacht

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Sehr geehrter Herr Wacht,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Flüchtlingsproblematik.

Nach den Regeln der Europäischen Union ist zunächst der Mitgliedstaat für die Aufnahme von Flüchtlingen zuständig, den die Flüchtlinge zuerst erreichen. Dieser muss dann ein evtl. Asylverfahren durchführen.

Bei der Frage, ob Italien derzeit bei dieser Aufgabe überfordert ist, ist ein Blick auf die Zahlen aufschlussreich: Demnach kamen 2010 ca. 45.0000 Asylbewerber nach Deutschland, aber nur 25.0000 nach Italien. Von einer Überforderung Italiens kann daher keine Rede sein. Zudem darf auch nicht übersehen werden, dass Italien sich bislang weigert, die ankommenden Flüchtlinge innerhalb seines Staatsgebiets zu verteilen, wie dies in Deutschland Praxis ist. Konkret bedeutet dies, dass die norditalienischen Provinzen derzeit überhaupt keine afrikanischen Flüchtlinge aufnehmen. All dies sind Gründe, warum die europäischen Partner zu Recht kritisieren, dass Italien die Flüchtlinge mit Papieren ausstattet, die ihnen die Weiterreise in die übrigen EU-Staaten ermöglichen. Es liegt der Verdacht nahe, dass hier ein Problem durch Ausreise der Betroffenen gelöst werden soll.

Nach den hoch erfreulichen politischen Veränderungen in Nordafrika muss es unser Ziel sein, die jungen Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, nach Europa zu flüchten, dazu zu motivieren, in ihrer Heimat zu bleiben und dort eine neue Gesellschaft aufzubauen. Käme es jetzt zu einem Exodus junger und gut ausgebildeter Menschen, wäre dies eine schwere Belastung für die Neuausrichtung dieser Staaten. Ein von der EU geförderter Wegzug dieser Menschen wäre also - unabhängig davon, ob wir den Flüchtlingen in den EU-Staaten überhaupt angemessene Arbeit bieten könnten - ein schwerer Fehler und würde den wirtschaftlichen und demokratischen Aufbau in den Staaten Nordafrikas gefährden.

Mit freundlichen Grüßen

Gunther Krichbaum

Mitglied des Deutschen Bundestages
Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union

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