Frage an Gunnar Ott von sandra s. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Hallo
Ich möchte gerne von Ihnen wissen,was sie über Arbeit, Bildung und soziale gerechtigkeit halten?
Über eine Antwort von Ihnen würde ich mich freuen
MIt freundlichen Grüßen
Sandra
Moin, Sandra !
Deine Frage ließ mich ein bißchen schmunzeln. Sie ist nämlich so global gestellt, dass ich jetzt ellenlange Romane schreiben könnte. Eine Reihe von Infos findest Du auch schon auf meiner Homepage www.fdp-ov-aurich.de . Aber ich will Dir trotzdem ein paar Grundzüge erläutern:
Arbeit und Bildung gehören ganz eng zusammen, denn die Chancen auf einen künftigen Beruf entwickeln sich aus der Schul- und Berufsausbildung und der sozialen Kompetenz eines Bewerbers / einer Bewerberin. Mein Vorschlag für eine effiziente Schulausbildung sieht verschiedene Schultypen einschließlich Gesamtschulen vor, wobei das Wichtigste eine enge Verzahnung ist. Kindergärten-Vorschule-Grundschule-Gesamtschule (Haupt- und Realschule nur in Ausnahmefällen) danach Gymnasium oder Berufsschule. Ganz wichtig ist die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen, denn Menschen lernen nun mal in verschiedenen Geschwindigkeiten und diese verändern auch ihr Tempo im Laufe eines Schüler/innenlebens mehrmals. Ich bin z.B. in der 8.Klasse richtig abgeschmiert und zeitlebens ist mir MATHEMATIK ein persönliches Hassfach gewesen. Irgendwie war ich immer der Blöde und hatte zahllose frustriende Erlebnisse. Aber ich habe später u.a. Volks- und Betriebswirtschaftslehre und Öffentliche Finanzwirtschaft studiert - erfolgreich. Und das, obwohl hier sehr gute Mathekenntnisse unabdingbar waren. Hmmm. Mit Sicherheit waren nicht alle Lehrer blöd, die mich als Mathetrottel einstuften. Trotzdem stelle ich mir die Frage, ob die Schule nicht manchmal sehr im Elfenbeinturm sitzt, abgehoben von der Lebenswirklichkeit.
Bildung ist aber nicht nur Schule, sondern auch Berufsausbildung. Je früher ein Mensch verschiedene Berufsbilder kennenlernt und je früher die Fähigkeiten eines Menschen gefördert werden, desto besser. Bildlich gesprochen: Lieber bei einem Kind einen Euro mehr ausgeben, als später zehnmal soviel für einen jungen Erwachsenen ausgeben, der durch Integrationsmaßnahmen für den Arbeitsmarkt läuft. Fördern sollte man als Staat jedoch immer. Nie einen Menschen aufgeben. Auch den Spätzündern eine Chance geben. Auch den zunächst Gescheiterten.
Arbeit und soziale Gerechtigkeit gehört ebenfalls zusammen. Der SPD-Vorschlag eines Mindestlohnes gefällt mir gut. Ja ja, ich weiß schon, was Du jetzt sagen willst. Viele meiner Parteifreunde sind dagegen. Aber ich, als Landtagskandidat Gunnar Ott, habe soviel Rückgrat zu sagen "Gute Idee". Es ist ja auch nicht einzusehen, warum jemand sich totschuften soll, ohne davon leben zu können. Oder warum ausbeuterische Arbeitgeber die Löhne bis zum geht-nicht-mehr drücken können und der Staat für die sozialen Transferleistungen aufkommen soll.
Die Verwirklichung ist jedoch viel schwerer, als die Schlagworte im Wahlkampf vermuten lassen. Risiko Nr. 1 ist, dass die Arbeitgeber Menschen die BESSER als der Mindestlohn verdienen, HERABstufen. Nach dem Motto: "Gesetzlich vorgeschrieben ist ja nur ..." Selbst wenn man dieses Risiko außer Acht lässt, ist Nr.2, dass der Mindestlohn gezahlt wird, aber weniger Leute die gleiche Arbeit machen sollen. Beispiel: Eine Wachgesellschaft ließ vorher 3 Wachleute zu 5 Euro Stundenlohn arbeiten, nach dem Mindestlohngesetz jedoch nur noch 2 Leute für die gesetzlich vorgeschriebenen 7,50 Euro. Außerdem erreicht der Mindestlohn natürlich nicht die Menschen, die keine Arbeit haben.
Die bessere Methode wäre aus meiner Sicht: In den Bereichen wo es Tarifpartner gibt, Aushandlung per Arbeitskampf. In den Bereichen wo es keine Tarifpartner gibt, als unterste Haltelinie das Bürgergeld, darauf der normale Verdienst - und am Ende des Jahres eine "negative Steuererklärung". Negative Steuererklärung heißt, man addiert die Einnahmen eines Jahres, zwölftelt sie und zahlt als Staat die Differenz zum monatlichen Mindestlohn als Steuerrückerstattung. Das Geld dafür holt der Staat sich wieder von den Unternehmen, die keine Tarifpartner haben. Selbst diese Methode ist zwar nicht perfekt, aber immer noch besser als die schlimmen Zustände, die es teilweise in der Wirtschaft gibt.
Oweia, jetzt habe ich doch haufenweise geschrieben und es gäbe noch viel mehr zu sagen. Aber das schwierige Problem sozialer Gerechtigkeit lässt sich nur in Politikerparolen ratzfatz lösen. Wenn es so einfach wäre, wie auf es auf manchen Wahlplakaten zu lesen ist - bräuchte dies ja nicht eine Partei zu schreiben, die seit 1998 in der Bundesregierung ist ... Lass Dich von einfachen Parolen nicht täuschen. Das ist typisch für Politiker in Wahlkampfzeiten. Patentrezepte hat eh keiner. Aber es versuchen, sollten wir.
Unseriös ist nur, das Thema Mindestlohn zwei Monate vor der Wahl zu erfinden, nachdem man 10 Jahre nichts getan hat. Aber Diätenerhöhungen innerhalb von zwei Wochen durchzuwinken ist ja auch einfacher (wie zuletzt auf Bundesebene geschehen).
Gruß
von einem nicht stromlinienförmigen
Gunnar Ott