Frage an Gunhild Böth von maren m. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie grenzen sie sich von Extremisten ab, sind Linksextremisten besser als Rechtsextremisten? Befürworten Sie Gewalt, um politische Ziele durchzusetzen?Was halten Sie von Grundrechten auch für Extremisten? Ist es richtig, dass Sie Rechtsextremisten Grundrechte absprechen, die Sie Linksextremisten zugestehen?
Sehr geehrte Frau Mahler,
Leider kann ich mit dem Wort "Extremisten" wenig anfangen, denn in meinem politischen Leben sind mit diesem Wort sehr unterschiedliche Gruppen diffamiert worden. So wurde das Berufsverbote-Abkommen, das Willy Brandt als Bundeskanzler der SPD mit allen Länderregierungen 1972 unterschrieb, offiziell "Extremisten-Erlass" genannt. Dadurch wurden Lokführer, Briefträger/innen, Lehrkräfte oder Sozialarbeiter/innen aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen. Das traf in Bayern auch Mitglieder der Jungdemokraten (FDP)oder der Deutschen Friedensgesellschaft, der Jusos und der GEW. Was ich sagen will: Der Begriff ist so schwammig, dass ich nicht viel damit anfangen kann, weil er immer als Kampfbegriff zur Bezeichnung politischer Gegner eingesetzt wurde.
Ich grenze mich von Menschen ab, die andere Menschen mit Gewalt zu Handlungen zwingen wollen oder zu politischem Verhalten.
Zu den Neonazis, von denen wir auch in Wuppertal einiges erlebt haben: Menschen, die anderen Grundrechte absprechen, können doch wohl nur schwer für sich selbst die Grundrechte in Anspruch nehmen - oder sehen Sie das anders? Jedenfalls hat das so Immanuel Kant, der große deutsche Philosoph, beschrieben ("Grundlegung der Metaphysik der Sitten" mit den verschiedenen Formulierungen des "kategorischen Imperativs"): Kant fordert - aus logischen und ethischen Gründen - die Anerkennung anderer Menschen als Menschen, d.h., dass man anderen Menschen genau die gleichen Rechte zugestehen muss, die man für sich selbst einfordert.
Und genau hier unterscheiden sich Linke von Neonazis. Neonazis setzen andere Menschen herab, halten sich für andere, nämlich über anderen stehende Menschen und wollen deshalb anderen (z.B. Ausländern, Obdachlosen, Homosexuellen, Linken usw.) nicht die Rechte lassen, die sie selbst beanspruchen. Das widerspricht den Prinzipien der Aufklärung - und deshalb bin ich dagegen, dass sie ihre menschenverachtenden Äußerungen über andere Gruppen äußern dürfen. Hier hört die Freiheit für die Philosophie der Aufklärung eben auf, denn die ist auch nicht grenzenlos!
Das ist übrigens auch der Grund, warum in unserem Grundgesetz Nazi-Organisationen verboten sind und das Bundesverfassungsgericht Neonazis verbieten kann, denn diese Neonazis stellen sich außerhalb unseres gesellschaftlichen Konsenses, der sich auf die Prinzipien der Philosophie der Aufklärung stützt.
In der Hoffnung, Ihnen meine Position verständlich gemacht zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Gunhild Böth