Frage an Günter Krings von Andreas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Günter Krings,
Ich habe eine Frage im Bezug auf die 10 Wöchige Vorratsdatenspeicherung.
Wie werden Sie Ihre Stimme abgeben, wenn es zur Abstimmung kommt?
Sollten Sie mit Ja antworten, warum wäre es eine gute Idee? Was spricht in diesem Fall FÜR eine Vorratsdatenspeicherung. Ich beziehe mich auf den Fall "Anschlag auf Charlie Hebdo". In Frankreich ist bereits eine Vorratsdatenspeicherung vorhanden und hat hier rein keine Wirkung bzw. Erfolg gezeigt. Welche Studien belegen, dass eine Vorratsdatenspeicherung bei der Aufklärung von Ermittlungen geholfen hat. Trotz damaliger Vorratsdatenspeicherung war jedenfalls keine Besserung zu erkennen.
Ich zitiere in diesem Fall einmal:
Der EuGH (Große Kammer) hat mit Urteil vom 08.04.2014, C-293/12 und C-594/12 die Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie (2006/24/EG) wegen Verstoßes gegen das in der Europäischen Grundrechtecharta (GRC) normierte Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 7 GRC), des Grundrechts auf Schutz der personenbezogenen Daten (Art 8 GRC) und wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit (Art 52 GRC) als ungültig aufgehoben.
Was rechtfertigt in diesem Falle wieder die Einführung eine Speicherung?
Ich als Fachmann in der IT-Branche bin in diesem Fall sehr besorgt.
Sollten Sie jedoch mit nein abstimmen, dann ist der obige Text obsolet.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Kern
Sehr geehrter Herr Kern,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie nach meiner Position zur Vorratsdatenspeicherung und ihrer Begründung fragen.
Mir ist bewusst, dass die Vorratsdatenspeicherung in Grundrechte eingreift. Jedoch ist dies zum Schutze der Sicherheit der Bürger und unseres Staates dringend erforderlich. Die Leitlinien des Justizministers stellen einen angemessenen Ausgleich zwischen den betroffenen und den geschützten Rechten dar.
Die Vorratsdatenspeicherung dient dazu, Täter schwerer Delikte über die Verbindungsdaten ausfindig zu machen. Dies ist natürlich auch bei den Pariser Anschlägen von Charlie Hebdo erfolgt. Die Vorratsdatenspeicherung wird nicht alle Anschläge verhindern können, aber sie kann das Netzwerk der Täter effektiv aufdecken, so dass die Helfer nicht nochmals zuschlagen können. Gerade in Fällen von schwerer organisierter Kriminalität, Internetkriminalität und Kinderpornographie sind die Kommunikationsdaten oft der einzige Ermittlungsansatz, der zum Täter oder seinen Komplizen führt. Auch bei der Aufklärung des braunen NSU-Netzwerkes wären die Ermittlungsbehörden wohl erfolgreicher gewesen, wenn sie gewusst hätten, mit wem Beate Zschäpe und die beiden toten Haupttäter in den 10 Wochen vor ihrer Festnahme kommuniziert hatten.
Oberste Richtschnur der Regelung der Vorratsdatenspeicherung sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Denn beide Gerichte halten die Vorratsdatenspeicherung im Grundsatz für vereinbar mit den Grundrechtskatalogen des Grundgesetzes und der EU-Grundrechtecharta. Sie haben in ihren Urteilen strenge Vorgaben gemacht und fordern insbesondere ein hohes Schutzniveau für die gespeicherten Daten und eine Beschränkung der Datenverwendung für die Aufklärung und Verhinderung besonders schwerer Straftaten. In diesem Rahmen bewegen sich die Leitlinien des Justizministers zur Vorratsdatenspeicherung.
Die Vorratsdatenspeicherung erfasst keine Inhalte, gespeichert werden lediglich Verkehrsdaten wie Rufnummer, Zeitpunkt und Dauer des Anrufs, beim Mobilfunkt die Standortdaten und die IP-Adressen sowie der Zeitpunkt und die Dauer ihrer Vergabe. Emails sind von der Vorratsdatenspeicherung ganz ausgenommen. Die Speicherung erfolgt nicht durch den Staat, sondern durch die Telekommunikationsunternehmen. Diese unterliegen dabei strengen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit. Erst zur Strafverfolgung schwerer, in einem Katalog aufgezählter Delikte – dies sind insbesondere terroristische Straftaten sowie Straften gegen höchstpersönliche Rechtsgüter wie Leib und Leben – und nur nach Anordnung durch einen Richter können diese Daten von den Ermittlungsbehörden abgerufen werden. Die Länder erhalten die Möglichkeit entsprechendes in ihren Polizeigesetzen zur Gefahrenabwehr zu regeln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für bestimmte konkrete Gefahren vorliegen. Die Speicherfristen sind auf vier Wochen für Standortdaten und zehn Wochen für die übrigen Daten beschränkt. Danach müssen die Telekommunikationsunternehmen die Daten löschen. Außerdem wird der Rechtsschutz der betroffenen Bürger gewährleistet. Grundsätzlich ist der Bürger vor Abruf der Daten zu informieren. Erfolgt der Abruf aufgrund richterlicher Anordnung heimlich ist der Betroffene danach zu unterrichten, wovon nur mit richterlicher Bestätigung abgesehen werden kann.
Mit dieser Ausgestaltung ist eine verhältnismäßige und verfassungskonforme Regelung gefunden worden, mit der wir den Ermittlungsbehörden Aufklärungsarbeit ermöglichen, die sie dringend benötigen, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günter Krings