Dr. Günter Krings MdB, 2021
Günter Krings
CDU
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Frage von Hajo F. B. •

Frage an Günter Krings von Hajo F. B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Krings,

am 20. September 2011 antworteten Sie auf meine besorgte Frage zum geplanten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM): „Ich kann Sie jedoch beruhigen, der ESM-Vertrag läuft keinesfalls, wie Sie befürchten, auf eine "Diktatur" in der EU zu.“

Nun bin ich jedoch auf einen Artikel in der Zeitung „Die Welt“ gestoßen, in dem ausführlich dargelegt wird, dass der ESM nicht nur immun vor jeglicher Strafverfolgung ist und außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle steht, sondern dass er gegen den Willen der Deutschen jederzeit Milliardensummen nach Belieben von uns fordern kann. Quelle: http://www.welt.de/finanzen/article106142019/ESM-kann-gegen-deutsche-Stimme-Geld-abrufen.html

Für mich klingt das sehr nach Diktatur. Daher frage ich Sie: Stellt „Die Welt“ den Sachverhalt falsch dar, und wenn ja: Wo liegt sie falsch?

Mit freundlichen Grüßen,

Hajo F. Breuer

Dr. Günter Krings MdB, 2021
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Breuer,

haben Sie Dank für Ihre Anfrage, in der Sie die Kritik eines Artikels der Zeitung „Die Welt“ aufgreifen und seitens des ESM, bzw. dessen Mitarbeitern eine Diktatur befürchten.
Gerne nehme ich dazu Stellung.

Grundsätzlich weise ich darauf hin, dass alle wesentlichen Entscheidungen des ESM bzw. seiner Organe, also insbesondere dem Gouverneursrat, unter Parlamentsvorbehalt stehen werden. Die entsprechenden Regelungen, die in das ESM-Finanzierungsgesetz (BT-Drs. 17/9048) eingehen, werden derzeit erarbeitet. Dass der ESM sich also unbegrenzt aus dem deutschen Haushalt bedienen kann, ist falsch. Jede einzelne Maßnahme wird vom Bundestag zu bestätigen sein, das gilt auch für Kapitalabrufe.

Reguläre Kapitalabrufe stehen wie alle wesentlichen Entscheidungen des ESM unter dem Einstimmigkeitsprinzip. Deutschland kann also mit einem „Nein“ solche Entscheidungen verhindern. Es gibt allerdings eine besondere Form von Kapitalabrufen im ESM (geregelt in Art. 9 Abs. 2 und 3 des ESM-Vertrags), bei denen das Einstimmigkeitsprinzip aufgehoben ist. Sollten Fälle auftreten, in denen dem ESM selbst Verluste oder sogar seine Zahlungsunfähigkeit drohen - und damit seine Existenz bedroht wäre - sind Kapitalabrufe zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des ESM einfacher möglich. Aber auch in diesen Fällen wären Kapitalabrufe nur im Rahmen des durch die Einrichtung des ESM bereits durch die Parlamente genehmigten Kapitals möglich. Die Haftung eines jeden Mitglieds des ESM ist in jedem Fall streng auf diese Summe begrenzt.

Im Artikel 10 Absatz 1 ESM-Vertrag ist vorgesehen, dass das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals regelmäßig überprüft werden. Änderungen erfordern einen einstimmigen Beschluss des Gouverneursrats, in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Finanzminister, welche die gewählten Regierungen der Eurostaaten repräsentieren, vertreten sind. Deutschland verfügt auf Grund der Notwendigkeit einer Einstimmigkeit jederzeit über ein Vetorecht; ein Beschluss gegen die Stimme Deutschlands ist also nicht möglich. Für eine Erhöhung des genehmigten Stammkapitals wäre in Deutschland eine erneute gesetzliche Regelung erforderlich. Artikel 10 Absatz 1 ESM-Vertrag sieht hierzu ausdrücklich vor, dass ein Beschluss des Gouverneursrats zur Änderung des Kapitals erst in Kraft tritt, nachdem die jeweils erforderlichen nationalen Verfahren zur Umsetzung des Beschlusses abgeschlossen sind. Die von Ihnen angesprochene Immunität der Mitarbeiter des ESM werden im Artikel 27 des ESM-Vertrags definiert. Dabei handelt es sich um die üblichen Regelungen internationaler Finanzinstitutionen. Die Tätigkeit des ESM beinhaltet, so z.B. bei der Privatsektorbeteiligung, äußerst komplexe rechtliche Vorgänge, welche regelmäßig mit erheblichen Risiken behaftet sind.

In der Regel handelt es sich um Immunitäten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Organisation. Handlungen der Bediensteten sind folglich nur dann geschützt, wenn sie offizieller Natur sind. Allerdings sind für die Spitze der Organisationen, also z. B. den Präsidenten, teilweise weitergehende Immunitäten vorgesehen. Diese Immunitäten entsprechen den Immunitäten, die den Diplomaten im zwischenstaatlichen Verkehr zukommen. Der Gouverneursrat des ESM, in dem die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Eurozone vertreten sind, bzw. der Geschäftsführende Direktor können die Immunität der Amtsträger und Bediensteten bei Bedarf aufheben. Vergleichbare Regelungen gelten unter anderem für den Internationalen Währungsfond (IWF), die Weltbank sowie regionale Entwicklungsbanken wie die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB).

Ich hoffe, die von Ihnen geschilderten Bedenken mit meinen Erläuterungen ausgeräumt zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Krings

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