Frage an Günter Krings von Hajo F. B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Krings,
dieser Artikel in der Welt und das dort verlinkte Video lassen mich erschaudern: http://www.welt.de/wirtschaft/article13588084/Video-enthuellt-verborgene-Ziele-der-Euro-Rettung.html
Wenn stimmt, was dort behauptet wird, soll in der EU eine Diktatur errichtet werden. Dann träte Artikel 20 (4) GG in Kraft. Das kann doch nicht wahr sein, was dort zu lesen und zu sehen ist… oder?
Falls aber doch, verlange ich den entschiedenen Widerstand aller demokratisch gewählten und demokratisch gesinnten Abgeordneten. So weit darf es einfach nicht kommen!
Mit freundlichen Grüßen,
Hajo F. Breuer
Sehr geehrter Herr Breuer,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Für zukünftige Anliegen können Sie gerne über die oben genannten Kontaktdaten direkt mit mir in Verbindung treten.
Sie beziehen sich auf den Artikel „Video enthüllt verborgene Ziele der Euro-Rettung“ auf http://www.welt.de sowie das dort verlinkte Video. Ich kann Sie jedoch beruhigen, der ESM-Vertrag läuft keinesfalls, wie Sie befürchten, auf eine „Diktatur“ in der EU zu. Das Video überzeugt nicht, es vereinfacht den ESM-Vertrag. Zudem übersieht es die Wichtigkeit der Schaffung von Rettungsschirmen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir uns an einer Wegscheide in Bezug auf die Zukunft des Euro befinden. Es gilt, jetzt die richtigen Lehren aus den Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre zu ziehen.
Der auf europäischer Ebene beschlossene ESM-Vertrag ist aus meiner Sicht aber ein guter und wichtiger Baustein im Gesamtgefüge der derzeit diskutierten Änderungen an den relevanten europäischen Regelungen und Verfahren. Eine Währungsunion ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie kann nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft wettbewerbsfähig ist und solide wirtschaftet. Daher verbessern wir mit der Schärfung des Stabilitätspakts und der Einführung des Euro-Plus-Pakts die Rahmenbedingungen für eine stabile und wettbewerbsfähige Währungsunion.
Akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder aber müssen leider kurzfristig von ihren Partnern unterstützt werden. Ein sonst möglicher Flächenbrand hätte unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte.
Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die zielgerichtete Krisenhilfe sein. Und genau dafür brauchen wir einen verlässlichen und transparenten Europäischen Stabilitätsmechanismus.
Das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages wird nicht auf einen EU-Gouverneursrat verlagert. Es ist und bleibt das Königsrecht des Parlaments. Mit dem ESM wird entgegen der weit verbreiteten Annahme auch keine Transferunion oder Haftungsgemeinschaft eingerichtet. Hilfen für notleidende Euro-Staaten wird es nur im Einzelfall und unter strikten Bedingungen und Auflagen geben, nicht zuletzt unter Beteiligung der privaten Gläubiger. Natürlich sind Belastungen für die Steuerzahler nicht ausgeschlossen. Ich glaube aber, dass das Risiko auf das notwendige Mindestmaß beschränkt bleibt.
Die bisher beschlossenen Maßnahmen sind insgesamt darauf ausgerichtet, die Eurozone auf Dauer zu stabilisieren und sie für die zukünftigen weltwirtschaftlichen Herausforderungen zu wappnen. Bei der Diskussion müssen wir auch im Auge behalten, dass der Euro das bislang stärkste Bekenntnis zur Idee des vereinten Europa ist - einer Idee, die nicht nur den Frieden in Europa sichert, sondern eine zentrale Voraussetzung für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands und die Wiedervereinigung war.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günter Krings