Frage an Günter Gloser von Hartmut K. bezüglich Finanzen
Kennen Sie das Buch "Geld ohne Zinsen und Inflation" von Margrit Kennedy?
Man kann es als PDF kostenlos herunterladen und bequem auf einem iPad lesen.
http://www.margritkennedy.de/wenn_sie.html
Auch wenn man nur wenig Zeit hat, kann man sich schnell die leicht zu verstehenden Thesen über den Wachstumszwang in einem Zinses-Zins-System aneignen und den darin enthaltenen Umverteilungsmechanismus begreifen.
Aufgrund des Zinseszins-Mechanismus folgen Schulden und Vermögen einer Exponentialkurve, die immer irgendwann mit der Realität kollidiert, da die natürlichen Ressourcen eben niemals exponentiell wachsen( - das Einzige was in der Natur exponentiell wächst ist Krebs...).
Das wird bald einen Währungsreset erforderlich machen - und da wäre es sinnvoll, wenn sich unsere Politiker schon mal vorher mit Alternativen auseinandergesetzt hätten, damit wir in 50 Jahren nicht wieder vor dem gleichen Problem stehen...
Ist Ihnen klar, dass eine Begrenzung der Neuverschuldung auf 3% des BIP nur etwas bringt, wenn man mehr als 3% Wirtschaftswachstum pro Jahr hat? Solange das nicht der Fall ist, ist keine Trendwende geschafft - das Verhältnis der Gesamtverschuldung des Staates/BIP steigt weiter an.
Für wie wahrscheinlich halten sie ein mehrjähriges/dauerhaftes Wachstum des Eurozonen-BIP über 3%pro Jahr bei gleichzeitiger Neuverschuldung/Budgetdefizit unter 3% für die ganze Eurozone?
Sehr geehrter Herr Körner,
danke für Ihre Frage. Das Buch von Frau Kennedy kenne ich nicht, ich habe mir aber ihre zentralen Thesen angeschaut und weiß daher, in welche Richtung ihre Kritik geht.
Es wundert mich nicht, dass angesichts der derzeitigen Krise der Finanzmärkte und der Staatshaushalte grundsätzliche Kritik an unserem Wirtschaftssystem zunimmt. Als Sozialdemokrat nehme ich solche Kritik ernst, mache sie mir aber nicht zu eigen.
Die SPD hat schon immer dafür gekämpft Geldvermögen zu besteuern, die nicht produktiv sind, weil sie nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Dazu stehe auch ich ganz persönlich und das ist auch Teil des vom Parteivorstand gerade neu beschlossenen Finanzkonzepts für eine mögliche SPD-Regierung nach den nächsten Wahlen.
Das Prinzip der Verzinsung von Kapital ist aber die Voraussetzung dafür, dass Betriebe und auch der Staatshaushalt Geld am Kapitalmarkt leihen können. Niemand würde Geld verleihen, ohne davon auch einen Vorteil zu haben. Deshalb ist an eine Abschaffung von Zinsen aus meiner Sicht nicht zu denken.
Die Probleme, die zur Finanzmarktkrise und jetzt auch zu einer Krise von Staatshaushalten geführt haben, liegen auf einer anderen Ebene. Die Finanzmärkte wurden entgegen der frühzeitigen Warnungen von Sozialdemokraten nie ausreichend kontrolliert. Deshalb wird dort nicht nur mit Geld gehandelt, sondern auch mit undurchsichtigen Papieren, die zum Beispiel Pakete von zum Teil „notleidenden“ – also nicht mehr werthaltigen – Forderungen aus Immobilienkrediten enthalten. Das Verhältnis zu realen Werten geht dabei verloren. Auch werden Wetten auf fallende Kurse abgeschlossen oder durch sogenannte Leerverkäufe hochspekulative Geschäfte gemacht. All dies ist nicht produktiv, schafft keine Arbeitsplätze, führt aber zu Risiken, die ganz konkrete Arbeitsplätze und damit Existenzen von Menschen vernichten können.
Diese Auswüchse müssen wir deshalb bekämpfen. Leider geht das nicht national, weil der Kapitalmarkt weltweit funktioniert. Deutschland und die EU müssen sich aber dafür einsetzen, dass es weltweit feste Mindestregeln gibt, die einen Finanzcrash verhindern können. Die in diesen Tagen wieder so viel geschmähte EU ist übrigens eine absolut notwendige Voraussetzung dafür, dass wir das weltweit durchsetzen können. Deutschland allein könnte hier nicht erfolgreich sein. Deutschland braucht Europa auch an diesem Punkt.
Zu Ihrer Frage nach den drei Prozent: Natürlich ist ein beständiges Wachstum von drei Prozent nicht realistisch, das langjährige Wachstum in Europa liegt weit darunter. Die Regel von Maastricht wird hier aber missverstanden. Es stimmt keinesfalls und war nie so gedacht, dass eine Neuverschuldung von drei Prozent des BIP dauerhaft unproblematisch ist. Das ist vielmehr die gemeinsam beschlossene Obergrenze für mögliche Staatsverschuldung. In der Regel sollte die Neuverschuldung darunter liegen. Mittel- und langfristig müssen die Haushalte ausgeglichen werden, das heißt, ohne neue Verschuldung auskommen. Im deutschen Grundgesetz hat dieses Prinzip durch die Schuldenbremse jetzt sogar Verfassungsrang. Das schränkt staatliche Handlungsmöglichkeiten ein – ist aber richtig, weil sonst künftige Generationen für unseren jetzigen Wohlstand zahlen müssen. Solche Regeln sollten sich alle EU-Länder geben, mindestens aber alle Länder, die den EURO haben.
Ich hoffe, ich habe damit ihre Frage beantwortet.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Gloser