Frage an Gudrun Pieper von Sabine W. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Pieper,
wie stehen Sie zur Chancengleichheit an unseren Schulen?
Ich habe einen getestet hochbegabten Sohn, der leider nur sehr unzureichend an der Schule gefördert und gefordert wird. Kaum ein Lehrer ist bereit, sich dem Thema anzunehmen. Im Lehrerstudium wird dieses Thema auch nicht verpflichtend behandelt. In den Köpfen fast aller Lehrer und Pädagogen ist Hochbegabung gleich Hochleistung, was jedoch erwiesener Maßen nicht korrekt ist.
Für jede andere Randgruppe, sei es Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen, Lese- und/oder Rechtschreibschwäche, Behinderte ect. wird etwas getan. Warum für Hochbegabte nicht?
Kann es sich unser Land leisten, auf diese klugen Köpfe zu verzichten?
Wenn es an einer kleinen Dorfgrundschule mit ein- bzw. maximal zweizügigen Klassen mit einer Klassenstärke von 15-20 Kindern schon nicht klappt, Kinder differenziert zu unterrichten und entsprechend ihren Fähigkeiten und Begabungen zu fördern, worauf die Kinder allerdings eine rechtlichen Anspruch haben, wie kann man es da von weiterführenden Schulen erwarten.
Für uns Eltern stellt es täglich eine Herausforderung und einen Kraftakt auch finanzieller Art dar, unseren Sohn zu motivieren und außerschulisch mit Hobbys und Workshops zu fördern und zu fordern, weil der Anspruch in der Schule nicht ausreicht.
Wie können Sie uns betroffene Eltern in Sachen Lehreraus- und -weiterbildung unterstützen und zur Aufklärung in der Bevölkerung und insbesondere der Bildungseinrichtungen beitragen?
Mit besten Grüßen
Sehr geehrte Frau Wilhelm,
bitte entschuldigen Sie, dass ich jetzt erst antworte, aber leider hatte ich in der vergangenen Woche Plenarwoche und am Wochenende sehr viele Termine, so dass ich jetzt erst die nötige Ruhe gefunden habe, um Ihre sehr spezielle Anfrage zu beantworten.
Grundsätzlich ist jedem Kind, gemessen an seinen Begabungen, jede Möglichkeit der Förderung und somit der Chancengleichheit zu gewähren. Hier jedoch zu differenzieren, bedarf es auch einer gründlichen Beratung. Diese könnten Sie beim CJD in Hannover, Gundelachweg 7 erhalten. Warum die Beratung?! Hochbegabte Kinder haben oftmals, so wie Sie es erwähnt haben, auch emotional-soziale Probleme. Auf der einen Seite erkennt man nicht die Fähigkeiten, auf der anderen Seite sind sie unterfordert und sie beginnen sich "ihr Ventil" zu suchen. Das kann der innere Rückzug, wie auch der "Klassenkasper" sein. Beispiele gibt es unendliche. Wenn man bedenkt, dass deutschlandweit rund 300.000 Kinder hochbegabt sind, so ist das auch ein sehr positives Potential, dass genutzt werden sollte und genutzt werden muss!
Da aus Ihrer Anfrage nicht unbedingt eindeutig ersichtlich ist, wo genau die Schwierigkeiten/Beratungsbedürfnisse/Unterstützungen liegen, biete ich Ihnen an, dass wir einmal ein persönliches Gespräch führen sollten. Vielleicht kann ich Ihnen (als ausgebildete Pädagogin) an der einen oder anderen Stelle weiterhelfen.
Zur Lehrerausbildung noch abschließend: Hochbegabung ist ebenso ein Spezialgebiet wie auch die Behindertenpädagogik. Von daher ist in der Grundausbildung nur ein kleiner Anteil des Themenkomplexes enthalten. Jedoch hat jeder Lehrer/in die Möglichkeit, sich hier zu spezialisieren, z.B. bei der Karg-Stiftung. Sie sehen also, es gibt einige Möglichkeiten, hier Abhilfe zu schaffen und deswegen noch einmal: nehmen Sie ruhig Kontakt zu mir auf. Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Gudrun Pieper