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Frage von Ina D. •

Frage an Gregor Gysi von Ina D. bezüglich Familie

Kindergeld als Einkommen
Der Gesetzgeber hat ja nicht nur das SGB II erlassen, sondern auch das EStG.

In § 11 Abs. 1 SGB II steht zwar, daß das Kindergeld als Einkommen dem Kind zuzurechnen ist, aber im selben Paragrafen steht in Abs. 3 auch, daß nicht als Einkommen gilt, was zweckgebunden ist und einem anderen Zweck dient.

Und in § 31 EStG steht, daß das Kindergeld für das "Existenzminimum eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung" gedacht ist. In § 32 Abs. 6 EStG steht dann, daß bei der Anwendung von Kinderfreibeträgen (Alternative zum Kindergeld) 1.824 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes gelten und 1.080 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes. Während jenes sächliche Existenzminimum zweckidentisch ist mit dem AlG II/Sozialgeld, ist es der Bedarf für Betreuung, Erziehung und Ausbildung nicht. Wenn dieser nun bei 1080 Euro im Jahr, also 90 Euro im Monat liegt, ergibt sich bereits aus den genannten Paragrafen im SGB II und EStG, daß 90 Euro des Kindergeldes anrechnungsfrei sind.

Alternativ könnte man auch in prozentualen Anteilen rechnen, dann sind 1.080 Euro gemessen an 1.080+1.824=2904 ein Anteil von 37 % am Kinderfreibetrag insgesamt, und 37 % vom Kindergeld wären 56,98 Euro. Zumindest dieser Teil des Kindergeldes ist also nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Bst. b SGB II anrechnungsfreies Einkommen. Dazu braucht man kein Verfassungsgericht, das kann bereits jede ARGE oder jedes Sozialgericht anhand der einfachen Gesetzgebung feststellen. Wahrscheinlich hat man nur vergessen, dies in ALG 2 zu berücksichtigen

Was raten Sie betroffenen Familien, Überprüfungsantrag stellen und welche Aussicht auf Erfolg hätte dies Ihrer Meinung nach.
Was können Sie tun, damit Kindergeld nicht mehr im vollen Umfang meiner Meinung nach rechtswidrig in voller Höhe angerechnet wird.

Mit freundlichen Grüßen
Ina Döhring

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Döhring,

selbstverständlich kann der Rechtsweg beschritten werden, ich glaube aber nicht, dass Sozial- oder Verwaltungsgerichte im Interesse der Betroffenen entscheiden werden. Letztlich gibt es nur die Chance, dass das Bundesverfassungsgericht diese Art der Rechtsinterpretation für grundgesetzwidrig erklärt. Das aber ist ein weiter Weg. Wir kämpfen auf jeden Fall um andere politische Mehrheiten, damit sich endlich eine andere Sicht durchsetzt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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