Frage an Gregor Gysi von Tobias P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
vor etwa einem Jahr stellte ich Ihnen die Frage wie abwägig es sei über "Höchsteinkommen" nachzudenken. Sie haben mir dann deutlich gemacht, daß die Politik wohl noch nicht soweit war, dieses Mißverhältnis zu bekämpfen.
Es musste ein langes Jahr dauern und eine Krise kommen damit nun auch Hr. Steinbrück die Bedeutung dieser Frage verstanden hat.
Nun aber zu meiner neuen - "abwägigen" Frage. Mit 27 Jahren habe ich die DDR nur noch als Kind kennengelernt aber Sie, der beide Systeme kennengelernt hat könnten mir das wohl am besten erklären.
Wenn es um die empfindlichsten sozialen Fragen wie Bildung, Gesundheitswesen oder Rentenversicherung geht, was wäre dabei so schlecht am Zentralismus - selbst in unserer "sozialen" Marktwirtschaft ???
Könnten Sie sich unsere Gesellschaft vorstellen
- mit nur einem Kultusministerium statt 16,
- mit Schulpflicht bis zur 10. Klasse auch für reiche Kinder
- mit nur einer gesetzlichen Krankenkasse statt über 250,
- mit Beitragspflicht in diese eine GKV aller deutschen Bürger
- mit Beitragspflicht in das Rentensystem incl. der Beamten ???
Meinen Sie, daß auch hier die Politik noch nicht soweit ist ?
Privatisieren, das habe ich von Ihnen gelernt, heißt enteignen. Es wurden meiner Meinung nach schon viel zu viele soziale Kernthemen vom Staat - also von uns selber - schleichend enteignet (Bildung, Gesundheit, Rente, Verkehr usw.).
Bei anderen Bereichen wie Feuerwehr, Polizei oder Rechts- wesen ist es doch auch selbstverständlich, daß der Staat und kein gewinnorientiertes Unternehmen für diese Leistungen gerede steht.
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Mit freundlichen Grüssen
Tobias Prager
Sehr geehrter Herr Prager,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 9. November.
16 verschiedene Bildungssysteme mögen ins 19. Jahrhundert passen, ins 21. Jahrhundert bestimmt nicht. Wir brauchen ein einheitliches Top-Bildungssystem von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern. Wie Sie vorgeschlagen haben, streben wir eine Gemeinschaftsschule an. Es sollte vielleicht nicht nur eine, aber auf jeden Fall nur wenige gesetzliche Krankenkassen geben. Wir streben diesbezüglich auch eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung an, so dass alle Bürger, die Einkommen haben, in die gesetzliche Krankenkasse einzahlen müssten. Des weiteren streben wir eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung für die gesetzliche Rente an. Sämtliche Menschen mit Einkommen, d.h. auch Rechtsanwälte, Ärzte, Abgeordnete, Beamte etc. müssten in der nächsten Generation in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Wir wollen auch die Beitragsbemessungsgrenzen aufheben, so dass auch von den hohen Einkommen einzuzahlen wäre. Dann könnte man den Beitrag sogar senken.
Ich habe den Eindruck, dass sich der Zeitgeist in dieser Richtung entwickelt. Noch sind aber die anderen Parteien nicht so weit, dem auch nur ansatzweise zuzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi