Frage an Gregor Gysi von Philipp A. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Gysi,
Zu Ihrer Antwort vom 21.10. ergeben sich für mich einige Fragen.
1.) Wie genau soll denn das von Ihnen geforderte "Primat der Politik über die Wirtschaft" aussehen? Das ganze klingt doch für mich sehr nach der kläglich gescheiterten Planwirtschaft, unter der wir ostdeutschen Bürger noch heute zu leiden haben.
2.) Womit sollen die von Ihnen geforderten "verstärkte[n] Investitionen in Bildung, Gesundheit, Infrastruktur sowie höhere Renten und Sozialleistungen" bezahlt werden. Bedeutet die von Ihnen in dem Zusammenhang geforderte Anhebung der allgemeinen Steuersätze auf den europäischen Durchschnitt nicht eine enorme Mehrbelastung für mittelständische Haushalte, die bereits heute häuig Spitzensteuersätze zahlen?
3.) Hat die letzte OECD-Studie nicht auch gezeigt, dass Rentner in Deutschland ein geringes Armutsrisiko besitzen? Somit käme die von Ihnen geforderte Erhöhung von Renten und Sozialleistungen erneut einer Mehrbelastung für die Arbeitnehmer gleich.
Für die Beantwortung meiner Fragen danke ich Ihnen bereits im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Philipp Auermann
Sehr geehrter Herr Auermann,
ein Primat der Politik über die Wirtschaft hat nichts mit einer Planwirtschaft zu tun. Es geht letztlich darum, wer über wichtige Lebensfragen der Menschen entscheidet. Wenn es ein Primat der Wirtschaft über die Politik gibt, verliert die Demokratie an Bedeutung. Wenn im wesentlichen der Vorstand der Deutschen Bank entscheidet, was geschieht und nicht die Bundesregierung, dann ist die demokratische Wahl der Bundesregierung für Sie weniger relevant.
Marktwirtschaft hat ihren Platz und sie muss fair verlaufen. Sie sorgt für Qualitätssteigerungen und Kostensenkungen. Allerdings möchte ich kein privates Eigentum im Rüstungsbereich haben, weil ich verhindern will, dass am Krieg so viel verdient wird. Wenn eine Monopolstruktur nicht zu verhindern ist, dann bin ich für ein staatliches und nicht für ein privates Monopol, weil letzteres zur Abzocke führt. Letztlich brauchen wir in der öffentlichen Daseinsvorsorge öffentliches Eigentum. Ein Krankenhaus muss in erster Linie der Vorsorge und Fürsorge für Menschen gegen Krankheiten dienen, nicht sich rechnen.
Der Bundeshaushalt muss anders als ein Privathaushalt geführt werden. Im Privathaushalt muss man weniger Geld ausgeben, wenn man weniger hat. Der Bundeshaushalt kann dagegen Ausgaben zurückfahren, wenn die Wirtschaft boomt, wenn die Einnahmen steigen. Dann können auch Schulden abgebaut werden. Wenn die Wirtschaft dagegen schwächelt, dann muss zusätzlich investiert werden, um viel höhere Kosten für Arbeitslosigkeit etc. zu verhindern. Im Unterschied zu anderen Parteien lehnen wir Mehrwertsteuererhöhungen ab. Wir finden auch den Steuerbauch für durchschnittlich Verdienende falsch. Sie haben Recht, die durchschnittlich Verdienenden bezahlen den größten Anteil in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind allerdings für die Anhebung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer auf 50 %. Diesen Steuersatz müsste man für das bezahlen, was man jährlich mehr als 80.000 Euro verdient. Außerdem sind wir für eine Börsenumsatzsteuer, für eine Vermögenssteuer, für eine Millionärssteuer. Wir wollen, dass der gewachsene Reichtum zum Allgemeinwohl mit herangezogen wird. Außerdem wollen wir die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Rente und der Krankenkassen. So könnten wir den Durchschnitt der 15 alten EU-Mitgliedsländer bei der Steuer- und Abgabenquote erreichen.
Die OECD-Studie hat lediglich gezeigt, dass zur Zeit das Armutsrisiko bei Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland noch nicht so hoch ist. Durch die veränderte Rentenformel wird es aber künftig ganz anders aussehen. Jemand der 1.000 Euro verdient, wird in einigen Jahren nur noch 400 Euro Rente beziehen. Das bedeutet Armut im Alter. Die kann und muss verhindert werden, z. B. dadurch, dass in der nächsten Generation sämtliche Bezieherinnen und Bezieher von Einkommen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und nicht nur für einen Teil, sondern für ihr gesamtes Einkommen. Dann ließe sich der Prozentsatz sogar senken, d. h. die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden weniger belastet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi