Portrait von Gregor Gysi
Gregor Gysi
DIE LINKE
94 %
356 / 377 Fragen beantwortet
Frage von Mario P. •

Frage an Gregor Gysi von Mario P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gysi,

die Süddeutsche hat gestern einen Artikel veröffentlicht http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-in-wien-syrien-ist-das-gegenteil-von-deutschland-1.2630138 , in dem steht, dass von 3650 lediglich 6 einen Asylantrag in Österreich stellen wollen. Der Rest möchte noch Deutschland weiterreisen und dort Anträge stellen. Wurde die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III) jetzt ausgesetzt oder wird Sie einfach nur nicht eingehalten. Wie wollen wir diesen Ansturm der Flüchtlinge gesellschaftlich bewältigen, wenn viel nur noch nach Deutschland kommen und gar nicht in andere sicherer Länder reisen wollen (siehe Artikel). Des Weiteren ist doch auch nicht absehbar, wie viele Syrier kommen. Denn es werden ja sicher nicht nur welche sein, die direkt aus Syrien kommen, sondern die aus den Flüchtlingslagern aus der Türkei und im Libanon kommen, um hier bessere Bedingungen zu finden. Wie soll unsere Gesellschaft das bewältigen? Spanien nimmt ja zum Beispiel kaum Flüchtlinge auf letztes Jahr nur 5.615 Asylanträge (Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-07/spanien-fluechtlinge-asyl-melilla-ceuta. Denken Sie dabei auch an die Zukunft unserer Kinder? Warum denken Sie, nehmen Sie viele Statten kaum Flüchtlinge auf? Es sind ja keine rassistischen Statten. Sehen Sie Ihre Verantwortung den Flüchtlingen gegenüber höher als gegenüber der deutschen Bevölkerung?
MfG
Petzold

Portrait von Gregor Gysi
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Petzold,

Ihre Nachricht vom 2. September 2015 hat mich erreicht.

Selbstverständlich gilt das Abkommen von Schengen noch, aber es wird permanent verletzt. Selbstverständlich sind alle Länder verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen. Soweit ein Land mehr belastet ist als andere, müssten wenigstens die Kosten innerhalb der Europäischen Union gerecht verteilt werden.

Natürlich weiß ich, dass eine Überforderung eintreten kann. Um diese zu verhindern, muss unverzüglich eine strukturelle Finanzierung durch Bundesmittel erreicht werden. Außerdem muss ernsthaft begonnen werden, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Wir müssen Kriege überwinden, der Hungertod muss ausgeschlossen sein, Armut muss ebenfalls überwunden werden und Rassismus auch. Allerdings gibt es einen Irrtum. Als wir weniger Flüchtlinge hatten, ging es unserer Bevölkerung auch nicht besser. Die Mehrheit des Bundestages verteilt solches Geld nicht in Richtung Infrastruktur und Besserstellung der ärmeren Bevölkerungsteile. Selbstverständlich bin ich in erster Linie den Menschen in meinem Land verpflichtet. Aber ich darf und kann auch die Menschen in anderen Ländern nicht vergessen. Es gibt Menschheitsfragen, die lassen sich nur beantworten, wenn man auch das Schicksal anderer Menschen beachtet.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Gregor Gysi
Gregor Gysi
DIE LINKE