Frage an Gregor Gysi von Helmut S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Rechtmäßigkeit der gegenwärtigen Regierung der Ukraine
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
Ihr an die Bundeskanzlerin gerichteter Vorwurf lässt sich doch nur dann aufrecht erhalten, wenn es zum praktizierten Verfahren der Abwahl des Ukrainischen Präsidenten mit bekannten verfassungsrechtlichen
Mängeln eine verfassungskonforme Alternative gab.
Wenn ein verfassungsrechtiches Dilemma vorlag, eine Verfassungsverletzung also unvermeidlich war, ist ihr Vorwurf ohne Grundlage.
Deswegen noch einmal die Frage, wie hätte eine verfassungskonforme
Alternative KONKRET ausgesehen, wenn sie denn praktisch möglich war. Ihr unspezifizierter Hinweis auf "Maßnahmen" ist keine Antwort auf meine Frage!
Was Sie zu den Faschisten sagen teile ich. Allerdings würde ich im konkreten Fall die Kritik immer mit dem Hinweis verbinden, dass einschlägige Vorwürfe aus Putins Munde völlig unglaubwürdig sind. In Russland agieren Faschisten und Antisemiten seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht nur ungehindert. Im Gegensatz zu Demokraten die Menschen- und Bürgerrechte ernst nehmen, wird diesen Leuten in den staatlichen Medien ein Forum geboten, erhalten sie offizielle Auszeichnungen.
Bekanntestes Beispiel: Der Hitler-Verehrer und Antisemit Schirinowski erhielt 2011 von Präsident Medwedew den den Vaterlandsverdienstorden (vgl. Wikipedia/de und Peter Conradi: Schirinowski und der neue russische Nationalismus [1995]). Dass Schirinowski auch seine Finger im Spiel hat bei der Destabilisierung der Ost-Ukraine geht aus einem abgehörten Telefongespräch (7.5.) zwischen dem russischen Nationalsozialisten und Milizenführer Alexander Barkaschow und Dmitri Bojzow (Anführer von „Orthodoxer Donbass“) hervor ( http://maidantranslations.com/2014/05/07/video-sbu-telefonmitschnitt-beweist-hand-moskaus-bei-den-pseudoreferenden/ ).
Nach Barkaschow sind Juden "auszumerzen". Ausweisung alleine genüge nicht, da sie sonst anderswo für die "zionistische Weltherrschaft" arbeiteten (vgl. Conradi S. 176/7)
Sehr geehrter Herr Suttor,
Ihre Nachricht vom 20. Mai hat mich erreicht.
Wenn ein Aufstand oder eine Revolution stattfindet, muss man die Verfassung nicht einhalten. Dann muss man neue gesetzliche Bestimmungen schaffen. Was allerdings nicht geht, ist meines Erachtens das Vorgehen in der Ukraine dergestalt, dass man die Verfassung negiert bei der Abwahl des Präsidenten, aber sich auf die Verfassung beruft, wenn es um ein Volksentscheid auf der Krim geht. Im übrigen hätte man jemanden wählen können, der den Präsidenten, der noch nicht abgewählt ist, vertritt, bis zu einer Neuwahl. Auch das wäre möglich gewesen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi