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Frage von Christoph R. •

Frage an Gregor Gysi von Christoph R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

bei twitter war am 06.03.2014 folgender Beitrag von Ihnen zu lesen: "Die selben Regierungen, die gegen die Abtrennung der Krim reden, billigten den Kosovo-Albanern dies zu, allerdings nicht den Basken".

Nach herrschener Völkerrechtslehre stehen der souveränitätsfreundliche Charakter des Völkerrechts und das Effektivitätsprinzip einem vorbehaltlosen Recht eines Teilgebiets eines souveränen Staates auf Sezession entgegen. Ein Recht auf Sezession (äußere Selbstbestimmung) ist nur dann gegeben, sofern das Recht auf innere Selbstbestimmung eines Bevölkerungsteils im betreffenden Staat grob missachtet wird, das heißt schwere und systematische Menshenrechtsverletzungen als auch Diskriminierung zu besorgen sind, die ein gedeihliches Zusammenleben und einen Verbleib einer Bevölkerungsgruppe im Gesamtstaat schlechterdings unzumutbar machen. Kurzum: Recht auf Autonomie im bestehenden Staat im Regellfall, Recht auf Sezession erst gegeben bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen.

Daher meine Fragen:

1. Teilen Sie die eben skizzierte völkerrechtliche Lehre oder haben Sie dagegen Einwände?

2. War den Kosovo-Albanern in Ansehung der oben stehenden Darstellung der Verbleib im serbischen Staatsverband aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen tatsächlich zumutbar? (Die Frage des Umgangs mit der serbischen Minderheit im Kosovo steht auf einem anderen Blatt)

3. Ist den Basken als auch den Bewohnern der Krim tatsächlich eine derartige Verletzung ihrer fundamentalen Menschenrechte widerfahren, dass nicht auch eine Autonomie im bestehenden Staatsgebiet (sei es nun eine solche nach status quo oder einem noch zu vertiefenden Niveau) ihrem Recht auf innere Selbstbestimmung gerecht wird?

4. Unabhängig von der Frage, ob die Verfassung der Ukraine das auf der Krim geplante Referendum überhaupt zuließe: sollte nicht zu erst eine Regierung auf der Krim gewählt werden, die dann wenigstens Legitimität besäße, ein Referendum zu initiieren?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Rostig,

Ihre Nachricht vom 6. März hat mich erreicht.
Unmittelbar nach dem Kosovo haben Völkerrechtlerinnen und Völkerrechtler versucht, im Sinne der NATO-Regierungen eine Theorie zu entwickeln. Mit geltendem Recht hatte dies allerdings nichts zu tun. Deshalb bleibe ich dabei, dass Menschen das Recht haben müssen, einen Staat zu verlassen, sie haben aber nicht so ohne weiteres das Recht, Territorien mitzunehmen. Das verlangt immer die Zustimmung des Staates, zu dem das Territorium gehört. Anders gäbe es dass in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Prinzip der territorialen Integrität nicht mehr. Natürlich waren die Bedingungen im Kosovo, bei den Basken, den Katalanen und den Bewohnerinnen und Bewohnern der Krim unterschiedlich. Aber ein Diebstahl aus einem edleren Motiv im Vergleich zu einem anderen Diebstahl bleibt dennoch ein Diebstahl. Mit anderen Worten, nach meiner Auffassung war die Loslösung des Kosovo völkerrechtswidrig, egal wie man die Situation dort schildert und betrachtet. Deshalb in ich wie Sie der Auffassung, dass die Loslösung der Krim von der Ukraine ebenfalls völkerrechtswidrig ist. Natürlich spricht auch die ukrainische Verfassung dagegen. Außerdem haben Sie Recht, dass noch Wahlen in der Ukraine stattfinden müssen. Nur muss ich auf die ukrainische Verfassung auch diesbezüglich hinweisen, dass der Präsident nur mit 75 % der Stimmen der Mitglieder des Parlaments abgewählt werden kann. Es waren aber nur 72,88 %. Er ist dennoch entmachtet worden, aber man muss vorsichtig sein, wenn man einmal auf die Verfassung nicht achten will, und sich das nächste Mal auf sie beruft.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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