Frage an Gregor Gysi von Arnold G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi
wie sehen Sie die Zukunft Deutschlands?
Durch den Ausverkauf und Privatisierung von staatlichen Betrieben wie zum Beispiel der Bahn, der Wasserversorgung, der Energieversorgung und den Sozialsystemen wird es ganzen Bevölkerungsschichten praktisch unmöglich gemacht am öffentlichen Leben teil zu nehmen, weil Sie es sich schlichtweg nicht mehr leisten können, sich zu versichern, das Wasser, den Strom, das Schulgeld für ihre Kinder geschweige denn in Alters-, Pflege-, Krankenvorsorge zu investieren.
Des Weiteren beschäftigt mich die Frage ob unsere Regierung durch die Zustimmung zu den Lissaboner Verträgen (ohne seine endgültige Fassung kennen zu können, da diese zum Zeitpunkt der Abstimmung noch gar nicht vorlag) und den Beitritt zum ESM immer mehr Machtbefugnisse nach Brüssel abgibt und sich selbst praktisch in die Handlungsunfähigkeit bringt.
Welche Aufgabe hat die Regierung noch wenn Sie sämtliche Selbstbestimmungsmöglichkeiten auf nationaler Ebene an die EU oder die private Wirtschaft abgibt? Degradiert Sie sich und nachfolgende Regierungen in Deutschland nicht mehr oder weniger zu einem Vermittlungsgremium ähnlich eines Betriebsrates, der zwar ein gewisses Gehör findet aber wichtige Entscheidungen doch akzeptieren muss und einfach trotz Veto übergangen wird?
Dann höre ich immer wieder den Ausspruch „…Sie (bzw Wir)sind auf einem guten Weg.“ Die Frage, die sich mir dabei aber stellt ist: Wo führt dieser Weg denn hin?
Was ist das Ziel der Kanzlerin das Sie für die deutsche Bevölkerung erreichen möchte? Wie sieht Ihr Deutschland der Zukunft aus?
Möchte Sie vielleicht „Kaiserin Angela die I.“ von Europa werden?
Mit freundlichen Grüßen
Arnold Greiner
Sehr geehrter Herr Greiner,
Sie beschreiben viele Ansätze, die sich in unserer Politik widerspiegeln. Wir fordern ein Primat der Politik, das bedeutet, dass die öffentliche Daseinsvorsorge in öffentliche Hand bleiben muss und dort, wo sie privatisiert ist, streben wir eine Rekommunalisierung an.
Unklar ist auch die weitere Entwicklung hinsichtlich der Europäischen Union. Der Art. 79 des GG regelt, wie das Grundgesetz geändert werden kann. Er regelt im Abs. 3 aber auch, dass der Art. 20 mit seinen Grundsätzen niemals geändert werden darf, nicht einmal einstimmig von Bundestag und Bundesrat. Aus dem Art. 20 ergibt sich aber die Haushaltshoheit des Bundestages. In Wirklichkeit wird sie eingeschränkt gegenüber der Europäischen Union. Darauf stützen sich auch unsere Klage beim Bundesverfassungsgericht. Allerdings ist das Bundesverfassungsgericht etwas zögerlich, hier Korrekturen einzufordern. Noch im Juni wird es wieder diesbezüglich eine Verhandlung geben, an der ich auch teilnehmen werde.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi