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Frage von Marc E. •

Frage an Gregor Gysi von Marc E. bezüglich Recht

Guten Tag.

Ich habe heute ihr Pressestatement verfolgt.

Sie loben darin die Entscheidung des BVerfG und erwähnen dort, dass es eine Grundrechtsverletzung festgestellt hat.
Das BVerfG hat doch lediglich einem Eilantrag stattgegeben und somit lediglich der Beschwerde Aussicht auf Erfolg eingeräumt. Ob wirklich eine Grundrechtsverletzung vorliegt ist doch damit noch gar nicht entschieden. Gerade sie als Jurist sollten das doch wissen.

Weiterhin haben sie dort das OLG München kritisiert. Aber war nicht das Verhalten genau richtig?? Welcher Aufschrei wäre denn gekommen, hätte das OLG einfach Stühle rein gestellt und dann wäre daraus eine Revision begründet gewesen, weil das Auswahlverfahren fehlerhaft ist. Die Entscheidung des BVerfG war doch gar nicht abzusehen. Hätten dann nicht alle lauthals auf das OLg eingedroschen, die das jetzt ebenfalls machen??

Weiterhin würde mich interessieren, wie sie den Brief der 55 Bundestagsabgeordneten sowie jede Stellungnahme der Politik zum Akkreditierungsverfahren in Einklang mit der Gewaltenteilung in Deutschland und der Unabhängigkeit der Justiz sehen?? Wenn Politiker das OLG auffordern Stühle bereit zu stellen usw. ist dies doch eine eindeutige Einflussnahme auf das Handeln der unabhängigen Justiz.

Zuletzt würde mich interessieren wie sie dazu stehen, dass das BVerfG eine politische und keine juristische Entscheidung getroffen hat?? Ähnliches Handeln konnte man beobachten bei der Entscheidung zu den Lissabonverträgen oder zum ESM, wo am Ende auch lediglich ein Urteil aufgrund politischer Erwägungen gefallen waren (sehr schön zu sehen beim ESM-Urteil).

Laut GVG hat ein Gericht für Öffentlichkeit zu sorgen. Dem wurde nachgekommen. Öffentlichkeit und öffentliches Interesse sind zwei unterschiedliche Sachen (wie ja der Beschluss des BVerfG zeigt).

Als Linker kann ich zwar die Entscheidung des BVerfG verstehen und gut heißen. Als Jurist jedoch sehe ich es mehr als höchst problematisch

mit freundlichen Grüßen

Marc

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Eichhardt,

Ihre Nachricht vom 16. April hat mich erreicht.

Zunächst setzt eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgericht voraus, dass zumindest vieles dafür spricht, dass eine Grundgesetzverletzung vorliegt. Im übrigen stimme ich mit Ihnen dahingehend überein, dass das Oberlandesgericht in München danach den richtigen Weg wählte. Einfach Stühle hinein zu setzen wäre rechtlich problematisch gewesen.

Was ich beim OLG kritisierte, war der Umstand, dass nicht von vornherein für griechische, türkische und andere ausländische Medien ein bestimmten Kontingent festgelegt worden war. Ferner habe ich kritisiert, dass nach der öffentlichen Debatte sich das OLG außerstande sah, eine Korrektur vorzunehmen, am ehesten durch ein neues Verfahren.

Politikerinnen und Politiker dürfen selbstverständlich keinen Einfluss auf die Rechtsprechung nehmen. Sie können aber durchaus Umstände eines Verfahrens kritisieren, die mit der Urteilsfindung selbst nichts zu tun haben.

Im übrigen wirkt der Zeitgeist auch auf Gerichte. In dieser Ansicht stimmen wir wieder überein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gysi

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