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Frage von Jacqueline E. •

Frage an Gregor Gysi von Jacqueline E. bezüglich Recht

Sehr geehrter Dr. Gregor Gysi,

mich würde sehr interessieren wie Sie zur Abschaffung der Verjährungsfrist bei sexualisierter Gewalt im Kindesalter stehen. Ich selbst bin Betroffene, die Verbrechen fanden im familiären Umfeld in meiner Kindheit statt. Die kurze Verjährungsfrist macht es mir und sehr vielen anderen Betroffenen nicht möglich die Täter anzuzeigen. Gerade wenn sexualisierte Gewalt im Kindesalter stattfand, werden die Erinnerungen oft verdrängt. Dies ist ein Überlebensmechanismus. Retraumatisiert wurde ich durch die Schilderung unser damals 11 jährigen Tochter, dass derselbe Täter versuchte sich an ihr zu vergehen. Da war ich 43 Jahre. Und die Erinnerungen kamen bei – so wie bei vielen Betroffenen - mir mit voller Macht.
Also hatte ich fast genau 30 Jahre verdrängt. Damit stelle ich keinen Einzelfall dar. Wir Betroffenen haben uns mittlerweile ganz gut vernetzt - darum weiß ich - es geht vielen Überlebenden so. Alle Bemühungen unsererseits die Verjährungsfrist in Fällen sexualisierter Gewalt im Kindesalter abzuschaffen verliefen ins Leere. Am Runden Tisch Kindesmissbrauch - welchen Frau Bergmann leitete - waren Betroffene aus dem familiären Bereich überhaupt nicht vertreten, dabei stellen wir prozentual den höchsten Anteil.
Das was mich aber am meisten stört bei der Verjährungsfrist ist nämlich, dass der Täter (wenn er noch lebt) nach Ablauf derselben den Betroffenen verbieten kann über die Taten zu reden. Überlebende riskieren selbst verklagt zu werden, wenn sie dann doch reden, trauen sich viele von uns nicht an die Öffentlichkeit. Das hilft natürlich den Tätern ungemein. Denn diese können weiter machen - so wie eh und je. Der Schaden an der Volkswirtschaft, welchen die Täter verursachen ist immens. Ich gehöre einem unabhängigen privaten Arbeitsteam an. Wir verfügen mittlerweile über ein umfangreiches Archiv um dies belegen zu können. Für Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung.

Jacqueline Ehmke, Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kindheit

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Ehmke,

Ihre Nachricht vom 11. November hat mich erreicht.
Ich persönlich bin dafür, dass die Verjährungsfristen für Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern auf jeden Fall verlängert werden. Allerdings bin ich auch dafür, dass irgendwann eine Verjährung eintritt. Man braucht aber längere Fristen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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