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Gregor Gysi
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Frage von Thomas S. •

Frage an Gregor Gysi von Thomas S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

mit Freude habe ich Ihren Redebeitrag vom 07.09.2011 im Deutschen Bundestag gesehen. Leider musste ich auch das offensichtlich nicht vorhandene Interesse Ihrer politischen "Gegner" ertragen. Entweder wissen sie, dass Sie Recht haben und stecken in anderen "Zwängen", die es ihnen unmöglich machen Ihnen Recht zu geben, oder sie sehen tatsächlich nicht die Ursachen unserer derzeitigen Finanz-/ Wirtschaftsprobleme. Ich weiß nicht, welche der beiden Antworten die schlimmere ist.
Ihre Partei ist derzeit die einzige, die zu den Rettungspaketen/ Eurobonds/ ESFS/ESM etc kritisch steht und zumindest für mein Verständnis logische Lösungen unserer derzeitigen schwierigen Lage bietet (Erhöhung der Löhne, Sozialleistungen/ Renten etc.). Ich kenne in meinem Bekanntenkreis niemanden, der die Wege unserer Regierung in dieser Frage versteht, und das sind allesamt Personen, die bisher nicht Ihre Partei gewählt haben. Dieses Thema ist in meinen Augen eine große Chance für Die Linke neue Wählerschichten anzusprechen, die sich mit ihren derzeit bestimmenden Sorgen um ihr Geld/ ihrer Zukunft und auch Europa als Versprechen auf Frieden und wirtschaftliche Prosperität in keiner der sonstigen Parteien wiederfinden!!!

Leider demontiertsich Ihre Partei auf Nebenschauplätzen mit Verve selber, dass es einem schwer fällt mit diesem Thema für Sie zu argumentieren, da sich das Gespräch sehr schnell auf diese Nebenschauplätze verlagert (Ja, aber warum gratuliert man Fidel Castro, um mal ein aktuelles Beispiel zu nennen).

Nun zu meiner Frage :
Wie stehen Sie und Ihre Partei zum Zins als Bestandteil unseres derzeitigen Geldsystems und warum leiht sich ein Staat mit einer umfassenden Garantie ausgestattet sein eigenes Geld zu einem Zinssatz bei Banken, denen er das Geld vorher zu einem niedrigeren Zinssatz gegeben hat?
Gibt es Bestrebungen/ Ideen in Ihrer Partei an diesem System etwas zu ändern?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schilling,

vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich inzwischen lesen konnte.

Den Zins werden wir nicht aus der Welt schaffen, weil schon im Privatleben jemand, der einem anderen Geld leiht, das Risiko eingeht, es nicht zurückzubekommen. Für dieses Risikos lässt man sich eben einen Zins bezahlen.

Trotzdem wäre das Problem lösbar. Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Bank, die Kredite an Staaten vergibt, und zwar zu geringen Zinsen. Dann wären die Staaten abgekoppelt von den Finanzmärkten. Das ist das Mindeste, das man durchsetzen müsste, um die Demokratie zu retten. Denn zur Zeit ist es so, dass die demokratisch gewählten Einrichtungen nur den Chefs der Banken, Fonds, Versicherungen und Hedgefonds hinterherlaufen. Dabei kann es nicht bleiben.

Leider muss ich auch Ihre Einschätzung zustimmen, dass unsere Partei sich gelegentlich mit Nebenschauplätzen beschäftigt oder Selbstbeschäftigung betreibt. Beides ist keineswegs nützlich. Ich werde das auch so deutlich wie möglich verkünden, bin aber optimistisch. Es begreifen immer mehr, dass diese Außendarstellung nur schadet. In vielen politischen Feldern sind wir uns nämlich sehr schnell einig, ganz egal, ob ich die Rente nehme, die Löhne nehme, die Grundsicherung nehme, die Gesundheitsversicherung oder andere Themen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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