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Gregor Gysi
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Frage von Dr. Inge K. •

Frage an Gregor Gysi von Dr. Inge K. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Gysi!
Ihre Partei will das Ehegattensplitting abschaffen, so habe ich jedenfalls gelesen.
Wollen Sie die Frauen meiner Generation, die ihre Lebensplanung bereits getätigt haben und in vielen Fällen ein Leben in Sorge um die Familie gelebt haben, dafür "bestrafen", indem Sie ihnen das Ehegattensplitting streichen, wenn die Kinder aus dem Haus sind? Diese Frauen haben keine oder nur geringe Rentenansprüche, und das Ehegattensplitting schafft hier ein wenig "soziale Gerechtigkeit", was immer das auch sein mag!
Und wie wollen Sie das im anderen Falle steuerlich berücksichtigen, wenn ein Ehepartner aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Arbeitsleben teilnehmen kann, der andere Partner aber - wie es auch die Ehe als Solidargemeinschaft - fordert, seinen Verdienst mit seinem Partner bzw. seiner Partnerin teilt?
Den - aus welchen Gründen auch immer - nicht am Produktionsleben Teilnehmenden mit dem Existenzminimum steuerlich zu berücksichtigen, wie es hin und wieder diskutiert wird, ist ja wohl keine Lösung, vor allem nicht für unsere Generation! Hier handelt es sich fast immer um Frauen, die eine Streichung des Ehegattensplittings treffen würde. In unserer Generation hier in der BRD bekamen die Männer die bessere Ausbildung: "Mädchen heiraten doch sowieso!" So konnten wir vielfach hören. Die heutige Generation ist besser ausgebildet, da ist könnte das Splitting abgeschafft werden, aber dort – bei fast gleichem Verdienst beider Partner – greift der Vorteil sowieso – zu recht - nicht!
Mit freundlichen Grüßen
Inge Karger, Jahrgang 1943

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Sehr geehrte Frau Karger,

Ihre Nachricht vom 13.9. hat mich erreicht. Zuständigkeitshalber habe ich sie an die Abgeordnete Dr. Barbara Höll mit der Bitte weitergeleitet, Ihnen eine ausführlichere Antwort zukommen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrte Frau Karger,

Dr. Gregor Gysi hat Ihre Frage an mich weitergeleitet, die ich hiermit gerne beantworte.

Sie haben vollkommen recht: Die Abschaffung des Ehegattensplittings wäre für Sie und viele Frauen Ihrer Generation unzumutbar. Denn Sie haben und mussten sich bei Ihrer Lebensplanung auf dessen Existenz verlassen und hätten heute keine Chance mehr, ihre Planung dahingehend zu korrigieren. Dieses Problem ist uns bewusst.

Daher wollen wir die Abschaffung des Ehegattensplittings mit einem sozialen Ausgleich flankieren. Frauen in Ihrer Lage sollen durch die Abschaffung nicht schlechter gestellt werden. Die Abschaffung soll nur die junge Generation betreffen - so wie Sie es in Ihrem letzten Satz auch skizzieren.

Das Ehegattensplitting ist auf die Situation der Mehrheit von Familien Ihrer Generation zugeschnitten: Der Mann war Alleinverdiener, die Frau kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Dieses Familienmodell stellt heute nicht mehr den Normalfall sondern nur noch ein Modell unter vielen dar. Heute gibt es immer mehr Doppelverdiener-Haushalte, Alleinerziehende und Lebenspartnerschaften, daneben viele Ehen ohne Kinder. Mit seiner antiquierten Konstruktion fördert das Ehegattensplitting heute vor allem Alleinverdiener-Ehen ohne Kinder. Es ist kein geeignetes Instrument zur Förderung des Zusammenlebens mit Kindern.

Veränderte Lebensweisen stellen auch die steuerliche Förderung der Solidargemeinschaft Ehe in Frage. Warum soll der Ehe hier ein besonderes Privileg zugeteilt werden, während ein solches für Lebenspartnerschaften, Alten-Wohngemeinschaften etc. nicht gilt? Wir denken, dass tatsächliche Betreuungs- und Pflegeleistungen steuerlich gefördert werden sollten - dies unabhängig von der zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Lebensweise.

Zudem behindert das Ehegattensplitting die Aufnahme von Erwerbsarbeit durch verheiratete Frauen: Frauen verdienen auch heute im Schnitt ein Viertel weniger als Männer, so dass sich die Erwerbstätigkeit des Mannes meist nicht in Frage stellt - so sind auch die Alleinverdiener nach wie vor überwiegend Männer. Eine Aufnahme von Erwerbsarbeit durch die Ehefrau lohnt sich erst, wenn ihr Verdienst den Wegfall des steuerlichen Vorteils aus der (verminderten) Anwendung des Ehegattensplittings überkompensiert. Und die Aufnahme von Erwerbsarbeit durch Frauen ist immer noch der beste Ansatz, um Frauen besser zu stellen - z.B. auch bei den Rentenansprüchen.

DIE LINKE will daher das Ehegattensplitting abschaffen - allerdings, wie oben beschrieben, mit einem sozialen Ausgleich. Stattdessen sollen tatsächliche Betreuungs- und Pflegeleistungen, das Zusammenleben mit Kindern steuerlich gefördert bzw. entsprechende Unterhaltszahlungen berücksichtigt werden - beispielsweise durch die Erhöhung des Kindergeldes. Daneben wollen wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern, z.B. durch kostenlose öffentliche Kinderbetreuung.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen unsere Position verständlich machen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Barbara Höll

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