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Gerold Reichenbach
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Frage von Peter S. •

Frage an Gerold Reichenbach von Peter S. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Reichenbach,
warum werden der erfolgreiche Abschluß eines Fachhochschulstudiums und eines Universitätsstudiums rentenrechtlich nicht gleichgestellt?
Vielen Dank für eine baldige Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Skupnik

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Skupnik,

vielen Dank für ihre Frage bei www.abgeordnetenwatch.de vom 29. März 2009.

Zunächst einmal sei gesagt, dass ich keine derartige rentenrechtliche Ungleichstellung erkennen kann. Gemäß §58 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgesetzbuches sind Anrechnungszeiten als Zeiten definiert: "in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben." Auch Fachhochschulen fallen unter den Oberbegriff der Hochschulen und werden somit voll angerechnet.

Als das jetzige System der gesetzlichen Rentenversicherung als Umlageverfahren, bei dem die Beiträge der jeweils Versicherten sofort für die Rentenzahlungen verwendet werden, 1957 im Grundsatz eingeführt wurde, konnte die heutige Brisanz der demografischen Entwicklung und der Arbeitsmarktentwicklung nicht einmal erahnt werden. Diesem Problem muss man sich heute aber zwangsläufig stellen, da diese Fragen Einfluss darauf haben, ob dieses System in Zukunft noch finanzierbar bleibt. In diesem Zusammenhang sind die Fragen der jährlichen Rentenanpassungen, der Lebensarbeitszeit, der Erhebung des vollen Pflegeversicherungsbeitrages für Rentenbezieher, der Einschränkungen bei der Berücksichtigung von Ausbildungszeiten und der derzeit noch nicht in Aussicht zu stellenden Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert West zu sehen.

Die Veränderungen bei der Bewertung von Schul- und Ausbidungsszeiten mussten insbesondere aus der Notwendigkeit heraus erfolgen, das das Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente wieder gestärkt werden muss.

Die Abschaffung der bewerteten Anrechnungszeiten bei schulischer Ausbildung erfolgt für Neurentner ab 2005 mit dreijähriger Übergangsfrist. Mit der Abschaffung der bewerteten schulischen Anrechnungszeiten wurde damit die bisherige rentenrechtliche Besserstellung von Versicherten mit Zeiten schulischer Ausbildung nach dem 17. Lebensjahr beseitigt. Vor dem Hintergrund steigender demografischer Belastungen der Alterssicherungssysteme kann es nicht länger Aufgabe der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung sein, Zeiten der Schul-, Fachhochschul- und Hochschulausbildung, also Zeiten, in denen keine Beitragszahlung erfolgt, rentenrechtlich auszugleichen.

Die Abschaffung der Höherbewertung der ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten (für Neurentner ab 2005 ohne Übergangsfrist) erfolgt in allen Fällen, in denen diesen Zeiten keine Pflichtbeiträge wegen beruflicher Ausbildung zugrunde liegen. Die pauschale Höherbewertung war mit der Rentenreform 1992 eingeführt worden, weil die Datenlage bei den Rentenversicherungsträgern seinerzeit eine Differenzierung nach den Gründen für die geringen Pflichtbeiträge am Beginn des Versicherungslebens nicht zuließ. Die durch die Rentenreform 1992 neu geschaffene Datenlage macht nunmehr eine Pauschalregelung überflüssig. Die bisherige pau-schale Anhebung der ersten 36 Pflichtbeiträge wird auf Zeiten der Ausbildung kon-zentriert. Bei anderen Zeiten, zum Beispiel Aushilfstätigkeiten, entfällt die Höherbewertung. Dies dient der Vermeidung unerwünschter Mitnahmeeffekte. Allerdings verbleibt es im Hinblick auf soziale Härtefälle bei Frühinvalidität oder frühem Tod bei dem geltenden Recht.

Zum häufig vorgetragenen Argument der Schlechterstellung von Frauen möchte ich nachfolgendes feststellen:

Es trifft zu, dass sich die Regelung zunächst tendenziell für Frauen häufiger negativ auswirken wird als für Männer. Dies rührt daher, dass Frauen in der Vergangenheit seltener als Männer eine berufliche Ausbildung absolviert haben. Bei der Bewertung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen des Wegfalls der pauschalen Höherbe-wertung kann aber nicht isoliert auf die die leistungseinschränkende Wirkung der Rechtsänderung geschaut werden. Vielmehr muss diese Maßnahme vor dem Hinter-grund der Ziele des gesamten Gesetzgebungsvorhabens gesehen werden: Die mit der neuen Regelung angestrebten Ausgabenbegrenzungen diesen auch und gerade dazu, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Zukunft bezahlbar zu halten und damit in Zukunft einen hohen Beschäftigungsstand zu sichern. Dies dient auch dem Ziel einer Steigerung der Frauenerwerbsquote.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die Lebenssachverhalte von Frauen und Männern immer mehr annähern. Die Rentenbiografien von Frauen weisen heute überwiegend auch eine Berufsausbildung auf, so dass sich die Betroffenheit bei beiden Geschlechtern zukünftig weitgehend angleichen wird.

Grundsätzlich streben wir bei allen Neuregelungen auch an, die bevorstehenden Änderungen im Rentenrecht wirkungsgleich in das Beamtenversorgungsrecht zu übertragen. Das entspricht bisheriger Praxis, wie z.B. beim Versorgungsänderungsgesetz 2001.

Dem Argument, dass rentenrechtliche Überlegungen die Entscheidungen von Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten über die Aufnahme einer akademischen Ausbildung beeinflussen, vermögen wir uns nicht anzuschließen. Hierfür maßgeblich sind Fragen der Ausbildungsförderung, die durch die rot-grüne Bundesregierung in den vergangenen Jahren entscheidend verbessert worden sind. Einschränkungen bei der Berücksichtigung von Ausbildungszeiten in der Rentenversicherung und dem Beamtenversorgungsrecht stellen kein Signal für weniger Bildung dar. Nach wie vor bedeutet eine gute Ausbildung einen besseren Schutz gegen Arbeitslosigkeit und eröffnet bessere Verdienstaussichten.

Ich kann verstehen, dass Sie die insoweit für Sie persönlich eingetretene Verschlechterung beanstanden, jedoch ist der Gesetzgeber verpflichtet die geltenden Gesetze auch den Entwicklungen in der Gesellschaft anzupassen (s.o.). Hierbei muss er die Verhältnismäßigkeit der Regelungen waren und ggf. Übergangsvorschriften finden. Dies bedeutet, der Gesetzgeber muss verfassungsmäßige Grundsätze wahren und darf nicht in bereits laufende Ansprüche verschlechternd eingreifen. Dies ist bei einer Rentenanwartschaft jedoch auch nicht der Fall, sondern erst bei bestandskräftigem Rentenbescheid. Darauf, dass Gesetze uneingeschränkt und in vorhandener Form auf Dauer Bestand haben, hat niemand einen Anspruch. Sonst hätten wir ein starres System von Regelungen und auch Verbesserungen wären nicht möglich.

Mit freundlichen Grüßen

Gerold Reichenbach, MdB