Frage an Gerold Reichenbach von Michael S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
ich möchte mich heute mit einem wichtigen Anliegen an Sie wenden: Bitte schreiben Sie an zwei entscheidende SPD-Politiker, um zu verhindern, dass das umstrittene Handelsabkommen CETA praktisch ohne Debatte im Europaparlament durchgestimmt wird.
CETA steht jetzt im Europaparlament zur Entscheidung. Die SPD hat auf ihrem Parteikonvent in Wolfsburg CETA zugestimmt – allerdings unter Bedingungen. Demnach ist jetzt die “Stunde der Parlamente” in der noch Änderungen an den Klageprivilegien für Investoren und anderen problematischen Inhalten durchgesetzt werden sollen.
Die SPD verlangt nichts weniger als “neue Standards in der parlamentarischen Befassung mit Handelsabkommen” zu setzen. Sie vertraut dabei ganz auf ihre Europa-Politiker, denn die SPD besetzt im Europaparlament die entscheidenden Schlüsselpositionen – mit Martin Schulz als Parlamentspräsidenten und Bernd Lange als Vorsitzenden des Handelsausschusses.
Doch jetzt wollen die beiden das 1500 Seiten starke Abkommen unverändert und ohne große Diskussion durch das Europaparlament jagen. Das ist mehr als unangemessen für ein Abkommen der neuen Generation, das tief in die Handlungsspielräume von Bund, Ländern und Gemeinden eingreift. Es ist inakzeptabel für CETA, das Investoren die umstrittenen Sonderklagerechte einräumt.
Bereits am 5. Dezember will der Handelsausschuss CETA beschließen, und wenige Wochen später soll das Plenum des Europaparlaments abstimmen. Keine Beratungen mit Zivilgesellschaft und Gewerkschaften, keine Anhörungen, keine begleitende Resolution des Parlaments. Obwohl die Bedingungen, die die SPD noch in Wolfsburg beschlossen hat, nicht umgesetzt sind.
Meine Bitte: Können Sie Ihren Einfluss auf Ihre Genossen Martin Schulz und Bernd Lange geltend machen, damit jetzt wirklich “die Stunde der Parlamente” schlägt?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Straub
Sehr geehrter Herr Straub,
Sie haben sich angesichts des CETA Abkommens an uns gewendet, da Campact behauptet, CETA würde ohne Debatte im Europäischen Parlament (EP) verabschiedet.
Dazu und zu den weiteren Verfahrensschritten möchte ich Ihnen gerne einige Informationen geben.
In der Sache hat Campact Ihnen eine Falschinformation gegeben. Das Europäische Parlament hat bereits am 10. Oktober 2016 im Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) eine Aussprache zu den nächsten Verfahrensschritten im EP nach der Unterzeichnung des Abkommens durchgeführt.
In einer außerordentlichen Plenarsitzung im November des Jahres wird sich das Plenum des Europäischen Parlamentes mit CETA beschäftigen. Darüber hinaus wird es eine Ausschusssitzung des zuständigen INTA-Ausschusses im EP gemeinsam mit Vertretern nationaler Parlamente geben, an der der Deutsche Bundestag ebenfalls teilnehmen wird.
Wie die Zivilgesellschaft im Weiteren vom EP oder den einzelnen Fraktionen eingebunden wird, ist autonome Entscheidung des EP bzw. der jeweiligen Fraktion.
Die abschließende Plenarbefassung im EP ist für Dezember 2016 oder Januar 2017 geplant. Auch hier irrt Campact, wenn die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit von begleitenden Resolutionen verneint wird. Hierzu sollte man sich aus Respekt vor der demokratischen Entscheidungsfindung im EP nicht in Behauptungen oder Mutmaßungen ergehen.
Danach, voraussichtlich ab März 2017, wird die vorläufige Anwendung der in EU-Zuständigkeit liegenden Teile von CETA ermöglicht. Dies wird insbesondere den Zollabbau betreffen. Auf keinen Fall aber können die Vorschriften über Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vorläufig angewendet werden. Zu diesem Bereich wird Belgien auch noch ein Gutachtenverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anstrengen, um die Vereinbarkeit der Regelungen mit dem Europarecht prüfen zu lassen.
Danach folgt die Phase der nationalen Ratifizierungen, die mehrere Jahre dauern kann. Erst wenn neben Kanada auch alle 28 EU-Mitgliedsstaaten CETA ratifiziert haben, kann es vollständig in Kraft treten.
Am 30. Oktober 2016 haben die Europäische Union und Kanada das CETA Abkommen unterzeichnet. Die SPD hat dafür gesorgt, dass die in CETA enthaltenen europäischen Standards für Verbraucher- und Umweltschutz, Arbeitnehmerrechte und der Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge gewahrt bleiben.
Im Deutschen Bundestag gab es am 22. September 2016 eine namentliche Abstimmung über den CETA-Vertragstext. Siehe Antrag Koalitionsfraktion: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/096/1809663.pdf
Ich habe mich in der namentlichen Abstimmung enthalten, weil die vom Parteikonvent der SPD geforderten Verbesserungen zu diesem Zeitpunkt vom Rat und mit Kanada noch nicht fest vereinbart waren. Dies ist inzwischen erfolgt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am 13. Oktober 2016 CETA behandelt und klargestellt, dass die Bundesregierung CETA im Rat zustimmen und sich auch für eine vorläufige Anwendung aussprechen kann. (Beschluss Bundesverfassungsgericht: http://www.bverfg.de/e/rs20161013_2bvr136816.html). Eine endgültige Endscheidung über die Verfassungsmäßigkeit von CETA ist damit noch nicht verbunden. Das entsprechende Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich im Sommer 2017 stattfinden.
Dementsprechend stand einer Zustimmung und späteren Unterzeichnung von CETA im EU-Handelsministerrat nichts mehr entgegen. Maßgeblich auf Initiative von Sigmar Gabriel hatte sich dort der Rat in einem Begleitdokument auf die Bedingungen des Bundesverfassungsgerichtes einigen können. Des Weiteren hat der Handelsministerrat verbindliche Auslegungserklärungen zum Schutz der Verbraucher, der Gesundheit, zum Schutz vor Privatisierungen und zur Frage der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit verabschiedet. (Siehe Anlage)
In CETA haben wir uns mit Kanada auf hohe Standards geeinigt, die Maßstäbe für zukünftige Handelsabkommen setzen können. Die SPD sieht in CETA die Chance, der fortschreitenden Globalisierung gegenüber den bisherig üblichen Freihandelsabkommen bessere Regeln zu geben.
Mit freundlichen Grüßen
Gerold Reichenbach, MdB
SPD-Fraktion