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Gerold Reichenbach
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Frage von Jens A. •

Frage an Gerold Reichenbach von Jens A. bezüglich Recht

Sehr geehrter Hr. Reichenbach,

in einem heutigen Interview befürwortet ihr Parteivorsitzender Hr. Gabriel eine Einführung zur Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung schwerer Straftaten und verweist auf einen Parteitagsbeschluß von 2011. Ich würde gerne wissen, wie Sie zur Vorratsdatenspeicherung stehen, und ob vier Jahre nach diesem Beschluß nicht eine Neubewertung notwendig wäre.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Auer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Auer,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 15. März, zu der ich gerne Stellung nehme. Die SPD hat sich mit ihrem Parteitagsbeschluss von 2011 bereits gegen eine langfristige, verdachtsunabhängige Speicherung von Telefon- und Internetverbindungen ausgesprochen. Der damals gefundene Kompromiss forderte eine weitergehende Eingrenzung der Speicherfristen und eine Revision der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der Maßgabe, die Speicherfristen auf deutlich unter sechs Monaten verkürzen zu können. Gleichzeitig wurde gefordert, die zu speichernden Datenarten hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität bei der Speicherdauer und den Zugriffsvoraussetzungen zu differenzieren, höchste rechtliche Hürden und technische Absicherung vorzusehen, die Zugriffsmöglichkeit auf besonders schwere Straftaten zu beschränken und den absoluten Schutz von Berufsgeheimnisträgern sicherzustellen. Dieser Beschluss erging noch auf Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2010.

Der Europäische Gerichtshof hat die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten mit Urteil vom 08.04.2014 für ungültig erklärt. Er sieht in der Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten und in dem möglichen Zugriff der zuständigen nationalen Behörden einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten.

Der EuGH bestätigt die Ausführungen des BVerfG im Prinzip, geht aber noch darüber hinaus. Der EuGH hat in seinem Urteil zur Aufhebung der Richtlinie festgestellt, dass die Richtlinie zwar grundsätzlich geeignet sei, ihr verfolgtes Ziel zu erreichen, nämlich dem Gemeinwohl und letztlich der öffentlichen Sicherheit durch Bekämpfung schwerer Kriminalität zu dienen. Sie beinhalte jedoch einen Eingriff von großem Ausmaß und von besonderer Schwere in die fraglichen Grundrechte, ohne Bestimmungen zu enthalten, die gewährleisten könnten, dass sich der Eingriff tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränke.

Ich glaube, wir müssen anerkennen, dass weder das Urteil des BVerfG noch das des EuGH der Zulässigkeit von Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich eine Absage erteilen. Ich glaube aber auch, dass die Hürden für eine grundrechtskonforme Ausgestaltung zu Recht derart hoch gesetzt wurden, dass es meines Erachtens in Zukunft keine uneingeschränkte und anlasslose Vorratsdatenspeicherung geben kann. Aus Brüssel wird es in absehbarer Zukunft keinen neuen Vorschlag für eine Richtlinie geben. Natürlich stellt sich jetzt in den Mitgliedstaaten die Frage, ob man bereits bestehenden nationalen Regelungen festhält oder wie in Deutschland eine eigene nationale Regelung in Angriff nimmt.

Ich persönlich halte eine mit dem Urteil des EUGH vereinbare Umsetzung einer „anlasslosen“ Vorratsdatenspeicherung nicht für möglich.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie der Schutz der Informations- und Kommunikationsfreiheit haben auch in der digitalen Welt hohe Priorität und dürfen nicht ausgehebelt werden. In der Zukunft wird es eben nicht mehr „nur“ um die Erhebung von Telekommunikationsverbindungsdaten gehen; wir bewegen uns immer schneller auf Industrie 4.0 und das Internet der Dinge zu. Das bedeutet immer mehr Metadaten, die von und über uns produziert werden und über unser Privatleben bis ins kleinste Detail Auskunft geben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position verdeutlichen. Für weitere Nachfragen können Sie sich auch gern direkt an mein Büro unter gerold.reichenbach@bundestag.de wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Gerold Reichenbach, MdB