Frage an Gerold Reichenbach von Barbara U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Reichenbach
Die Rolle der Datenschützer auf Bundes- oder Landesebene verkömmen langsam zu Marionetten von SCHWARZ/GELB.
Mich regt es maßlos auf, dass jeder sich meiner Daten bemächtigen kann , um mich mit Werbung loder unangemeldeten Hausbesuchen nerven darf.
Ich hatte damals meine Daten sperren lassen, weil ich weder durch Werbung, noch durch Polit- Propaganda in Wahlzeiten belästigt werden wollte.
Was wird die SPD unternehmen, damit Bürger vor illegalen Adressenhändlern und sonstigen windigen Unternehmen geschützt werden oder sich schützen können?
Sehr geehrte Frau Uduwerella,
vielen Dank für Ihre Nachricht vopm 06.07.2012 über abgeordnetenwatch.de, in der Sie sich gegen das in der letzten Sitzungswoche verabschiedete Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens wenden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich auf die vielen Anfragen hierzu, ähnlich bzw. gleichlautend antworte.
Die Kritik in der Öffentlichkeit am Verfahren bei der Verabschiedung des Meldegesetzes im Deutschen Bundestag am 28. Juni 2012 zeigt Unkenntnis des parlamentarischen Verfahrens und soll wohl auch etwas davon ablenken, dass ein Großteil der Medien das brisante Thema fast eine ganze Woche verschlafen hat. Gleichzeitig ist die Medienlandschaft damit zunächst auf den Versuch der Koalition, ihr Lobbyistengesetz möglichst ohne große Diskussion durchzubringen, reingefallen.
Die Tagesordnung für die Plenarsitzungen wird von den Geschäftsführern der Bundestagsfraktionen vor Beginn der Sitzungswoche festgelegt. Dabei wird auch festgelegt, welche Tagesordnungspunkte ohne Aussprache abgestimmt und bei welchen die Redebeiträge zu Protokoll gegeben werden. Ohne diese Festlegungen wären die meisten Tagesordnungen der Sitzungswochen zeitlich nicht zu schaffen.
Als die Festlegung für das Meldegesetz getätigt wurde, war das Gesetz in der ersten Lesung. Die nunmehr so heftig kritisierten Änderungen durch den Antrag von CDU/CSU und FDP (es waren nicht nur die beiden Sprecher, die den Antrag unterzeichneten (!)) lagen zu diesem Zeitpunkt den Oppositionsfraktionen noch nicht vor, sonst hätte die SPD-Bundestagsfraktion auf Beratung und Aussprache bestanden. Gegen die Zustimmungspflichtigkeit zur Weitergabe von Daten durch die Meldeämter in der Ursprungsfassung war grundsätzlich nichts einzuwenden, denn so hätten die Betroffenen der Weitergabe ihrer Daten explizit zustimmen müssen, was gerade den Datenschutzforderungen der SPD, die diese auch an anderer Stelle erhebt, entspricht. Nachdem die Änderungen im Innenausschuss mit der Mehrheit der Stimmen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Opposition (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke) angenommen wurden, und damit am Donnerstag der mit der Ausschussempfehlung geänderte Gesetzesvorschlag zur Abstimmung stand, blieb meiner Kollegin Gabriele Fograscher nichts mehr übrig, als ihren Protest zu Protokoll zu geben.
Die Abstimmung selbst ist eine Formalie. Üblicherweise wird dann nach Fraktionsmehrheiten abgestimmt, wenn die entsprechenden Mehrheitsergebnisse der anwesenden Abgeordneten nicht angezweifelt werden. Aber selbst wenn in einem solchen Fall mehr Oppositionsvertreter anwesend gewesen wären, wäre es im Zweifelsfall zu einem sogenannten Hammelsprung gekommen, zu dem die nicht im Plenarsaal anwesenden Abgeordneten herbeigerufen werden, und bei dem die Koalition ihre Mehrheit hätte herstellen können. Auch wenn weniger Abgeordnete abgestimmt hätten, als zur Beschlussfähigkeit notwendig gewesen wären, wäre die Beendigung der Sitzung erst für den nächsten Tagesordnungspunkt zum Zuge gekommen (dies geschah zum Beispiel vor der ersten Lesung des Gesetzes zum Betreuungsgeld).
Diese Verfahren hat sich als nützlich eingebürgert, damit parallel zu den Plenarsitzungen die Gremienarbeit der Abgeordneten stattfinden kann (Arbeitsgruppen, Ausschüsse, Gespräche). Ich zum Beispiel war zu dem Zeitpunkt bei einem Gespräch mit der Gewerkschaftsspitze der deutschen Polizei (GdP).
Weil die Reden zu Protokoll gingen, haben die Kollegin Fograscher und ich gleich am nächsten Tag (was durchaus üblich ist, wenn der Tagesordnungspunkt in den Abendstunden im Plenum ist) über die SPD-Bundestagsfraktion eine Erklärung zu dem Gesetz abgegeben, in der wir noch einmal auf die Datenschutzproblematik und das Einknicken der Koalition vor dem Adressdatenhandel hingewiesen haben. Diese können Sie unter http://bit.ly/P6fUq2 finden.
Diese Mitteilung wurde über den gesamten Bundespresseverteiler versandt. Aber offensichtlich haben die Medien diese Kritik gar nicht erst zur Kenntnis genommen und sie vielmehr als nicht brisant genug abgetan. Dies gibt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 10. Juli 2012 sogar selbst zu: /„(…) Äußern sich darin eher unbekannte Abgeordnete wie Fograscher und Reichenbach, gilt das meist als Signal, dass das Thema nicht allzu brisant ist. Es geht dann unter (…)“./ Dieser Entschuldigungsversuch der Süddeutschen Zeitung ist besonders peinlich angesichts der Tatsache, dass doch Gabriele Fograscher die zuständige Berichterstatterin im Ausschuss und ich selbst der Berichterstatter der SPD-Fraktion zum Datenschutz bin. Unabhängig davon scheint in den Medien der Grundsatz zu gelten, Namen zählen mehr als Inhalte. Erst seit letztem Freitag gab es bei mir Nachfragen von Medienvertretern;eine gute Woche nach Verabschiedung des Gesetzes! Die Hauptstadtmedien wurden offensichtlich erst aktiv, nachdem ZeitOnline unsere Presseerklärung zum Anlass eines kritischen Berichtes genommen hatte.
Besonders perfide finde ich es jetzt, wenn sich Verbraucherschutzministerin Aigner, sowie die Sprecher des Innenministeriums und der Kanzlerin hinstellen und so tun, als hätten sie mit der Änderung nichts zu tun. Dabei sind es ihre Parteien und Fraktionen im Bundestag, die die Änderungen eingebracht und beschlossen haben. Nach unseren Erkenntnissen wurden die Änderungen sogar in einem Ministerium verfasst. Es ist im Gesetzgebungsverfahren üblich, dass die Ministerien den Vertretern der Regierungsfraktionen - theoretisch könnte das auch die Opposition nutzen - bei Gesetzesentwürfen oder Änderungsanträgen sogenannte Formulierungshilfe leisten. Dabei wird natürlich die Sichtweise des Ministeriums und der mitbefassten Ministerien eingebracht.
Jetzt aber so zu tun, als sei das nur eine Sache des Ausschusses oder gar von zwei Abgeordneten von CSU und FDP gewesen, ist schlicht heuchlerisch. Diesen Kotau vor der Wirtschaftslobby wollte - mit Duldung der Regierung - die gesamte Regierungskoalition. Denn die Anträge mussten vorher in CDU/CSU und FDP intern abgestimmt und in den Fraktionen beschlossen werden, bevor sie in den Ausschuss eingebracht werden konnten. So sehen es die Regularien in allen Fraktionen vor.
Mit freundlichen Grüßen
Gerold Reichenbach, MdB