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Gerold Reichenbach
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Frage von Florian Z. •

Frage an Gerold Reichenbach von Florian Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Reichenbach,

trotz der Warnungen vieler Experten und einer Petition die 130.000 Leute unterschrieben haben, haben sie dem Gesetz zu den Internet-Sperren am 18.06.2009 zugestimmt. Das Gesetz greift stark in die Grundrechte eines jeden Bürgers, welche im Grundgesetz festgehalten sind ein. Als Abgeordneter des Bundestages sind sie als Vertreter des Volkes gewählt und sollten in diesem Sinne auch die Interessen ihrer Wähler vertreten.

Klar ist Kinderpornographie eine schreckliche Sache, aber man sollte an das Thema differenziert herantreten. Missbrauchte Kinder werden durch dieses Gesetz sicher nicht besser geschützt, da laut offiziellem Polizeibericht 2008, Kindesmissbrauch meist in einem für das Kind vertrauten Verhältnis stattfindet. Mit diesem Gesetz installieren sie eine Zensurplattform, die mit dem momentan Gesetzestext ein Höchstmaß an Willkür und Missbrauch zulässt. Allein das BKA entscheidet, welche Seiten gesperrt werden sollen und in welcher Art und Weise Seiten gesperrt werden. Von einzelnen Dateien bis hin zu ganzen Servern ist alles möglich. Dass auf solchen Servern auch eine Vielzahl an legalen Seiten liegen können, wird scheinbar als Kolateralschaden hingenommen. Die Überprüfung durch Juristen und dem Bundesdatenschutzbeauftragten, welche diese Seiten "stichprobenhaft" einmal im Quartal durchsehen sollen, erscheint mir mehr als mangelhaft. Ganz davon abgesehen, dass der Bundesdatenschutzbeauftragt bereits ausgesagt hat, dass dies nicht in sein Aufgabenfeld gehört und er es nicht tun möchte.

Kinderpornographie wird als Deckmantel benutzt, um eine Zensurplattform, die wir seit dem dritten Reich nicht mehr hatten zu installieren!

Deswegen stellt sich mir die Frage, warum sie diesem Gesetz in dieser Art und Weise zugestimmt haben. Mir scheint der Parteienzwang und ihr Sitz im Bundestag ist ihnen wichtiger als ein gutes Gewissen gegenüber den Leuten, die sie vertreten sollen.

Mit freundlichen Grüßen

Ein entäuschter Wähler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Zarges,

vielen Dank für Ihre Frage bei Abgeordnetenwatch vom 20. Juni 2009 zum Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen, das am 18. Juni 2009 vom Bundestag beschlossen wurde (Drucksache 16/12850) und dem ich zugestimmt habe.
Gerne nehme ich hierzu Stellung, wobei ich ein wenig ausholen muss, um die doch recht komplexen Zusammenhänge zu diesem sensiblen Thema deutlich machen zu können.
Ich bin überzeugt, wir alle wollen einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan ein umfassendes Konzept mit konkreten zusätzlichen Maßnahmen vorgelegt. Eine unserer Kernforderungen lautet, dass die Strafverfolgungsbehörden dauerhaft personell und technisch gut ausgestattet sind und die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden weiter gestärkt wird.
In den vergangenen Jahren haben wir zudem bereits das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt.
Unabhängig von der Frage, ob der Missbrauch von Kindern selbst zugenommen hat, stellt sich zunehmend das Problem der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten im Internet.
Das dürfte weitgehend unbestritten sein. Auch ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Ein rechtswidriges Verhalten dort kann selbstverständlich strafbar sein oder zivilrechtlich verfolgt werden.
Fraglich ist letztlich, mit welchen Maßnahmen die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet angemessen, rechtsstaatlich sauber und möglichst effektiv verhindert oder zumindest erschwert werden kann.
Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornografie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Ein solcher direkter Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Nur deshalb stellt sich die Frage nach Zugangssperren. Es geht hierbei aber nicht um eine Internetzensur – es geht um die Bekämpfung krimineller Handlungen in einem ganz besonders gelagerten Fall.
Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu erschweren. Uns ist bekannt, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen.
Mit dem nun beschlossenen Gesetz wurde der ursprüngliche Gesetzentwurf ganz wesentlich überarbeitet und verbessert, wobei die SPD-Bundestagsfraktion ihre wichtigsten Änderungsvorschläge in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchsetzen konnte. Wir haben damit auch die wesentlichen Kritikpunkte, die aus der „Internetcommunity“ vorgetragen wurden aufgegriffen. Darum konnte ich letztendlich trotz Bedenken zustimmen.
Der endgültige Beschluss hat insbesondere folgende Änderungen gebracht.
1. „Löschen vor Sperren“:
Die Regelung kodifiziert den Grundsatz „Löschen vor Sperren“. Danach kommt eine Sperrung durch die nicht verantwortlichen Internet-Zugangsvermittler nur dann in Betracht, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornografischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend ist.
2. Kontrolle der BKA-Liste:
Die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des Paragraphen 1 Satz 1 erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Das Expertengremium wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Dauer der Geltung des Gesetzes (31. Dezember 2012) bestellt.
3. Datenschutz:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
4. Spezialgesetzliche Regelung:
Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll. Der Änderungsantrag geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden.
5. Befristung:
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden. Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren.

Lassen Sie mich noch eine grundsätzliche Anmerkung machen. Ich begrüße die kritische Diskussion, denn alleine diese und nicht das unterlassen bestimmter gesetzlicher Maßnahmen ist der Garant vor Zensur. Die Technik ist grundsätzlich vorhanden und könnte jederzeit zu umfassenden Zensurmaßnahmen genutzt werden, wenn sich dafür eine neue gesellschaftliche und politische Mehrheit ergibt. Allerdings ist nicht nur Wachsamkeit gegenüber dem Staat geboten, sondern gerade gegenüber der privaten Wirtschaft, etwa was die abgestuften Zugriffsmöglichkeiten bei Suchmaschinen betrifft.

Mit freundlichen Grüßen
Gerold Reichenbach, MdB