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Frage von Ben K. •

Frage an Gernot Erler von Ben K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo.

Ich würde gerne wissen wie Sie folgende Zitate aus der jüngesten Monitor (WDR) Sendung beurteilen. Dabei würde ich gerne verstehen, wie Ihre Partei hinter solchen, der Würde des Menschen entgegenstehenden Entscheidungen, stehen kann!!!!

"Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister (vom 10. Dezember 2008): "Auf die Globalisierung der Märkte muss echte politische Globalisierung rücken. Und das sage ich nicht nur so dahin, sondern ich sage es deshalb, weil die Menschenrechte aus meiner Sicht dabei eine zentrale, vielleicht sogar neue Rolle spielen werden."

Wie passt das zur Angola-Politik? Wieso hat der Außenminister nicht auf das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gehört, das Angola von der Liste der Partnerländer streichen wollte? Wie passen Rede und Realpolitik zusammen?"

2. Zitat:
"Das Gegenteil ist der Fall. Wenn es um Öl und Gas geht, hofiert der Außenminister die schlimmsten Diktatoren, Beispiel Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan. Die Zentralasien-Strategie, von Frank-Walter Steinmeier entworfen und in der Europäischen Union durchgesetzt. Die Länder Zentralasiens verfügen über gigantische Gasreserven. Da will Europa ran. Über die so genannte Nabucco-Pipeline will man sich unabhängiger machen vom russischen Gasmonopolisten Gazprom. Seit Jahren umwirbt Deutschland diese Diktaturen und schaut bei den Menschenrechten angestrengt weg. Wandel durch Handel? In Zentralasien werden immer noch Journalisten ermordet, Dissidenten gefoltert, gibt es Schauprozesse. Kritik und Opposition sind lebensgefährlich. Minister Steinmeier weist gegenüber MONITOR darauf hin, dass mit diesen Staaten erstmals ein Menschenrechtsdialog begonnen worden sei. Leider ohne Erfolg, das sagt einer, der mit Steinmeier im Außenministerium quasi Tür an Tür sitzt, der Regierungsbeauftragte für Menschenrechte......"

Ich wäre über eine Stellungnahme sehr dankbar!!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kunst!

Vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich antworte auch gerne auf einige Vorwürfe von MONITOR. Es ist sehr einfach, Urteile zu fällen: Der deutsche "Außenminister hofiert die schlimmsten Diktatoren". Gut: Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat mit den zentralasiatischen Präsidenten gesprochen. Was ist dagegen einzuwenden?

Sie sprechen mit Ihren Fragen natürlich ein sehr ernstes Thema an, nämlich die Frage nach dem Umgang mit Staaten, in denen die Menschenrechtslage problematisch ist. Prinzipiell hat man hier zwei Möglichkeiten: Entweder man geht auf Konfrontation und versucht den betreffenden Staat politisch zu isolieren oder politisch, wirtschaftlich oder gar militärisch unter Druck zu setzen. Oder man strebt den Dialog und die Kooperation an. Mir fällt kein Beispiel ein, wo Konfrontation die Menschenrechtslage verbessert hätte. Deswegen setzt die Bundesregierung konsequent auf Dialog und Zusammenarbeit. Man macht Angebote und stellt im Gegenzug aber auch Forderungen. Man weist auf bestehende Probleme hin und versucht gemeinsam mit dem Partner eine Verbesserung herbeizuführen. Die unter deutscher Federführung erarbeitete EU-Zentralasienstrategie macht genau dies.

Wie der Beitrag von MONITOR richtig betont, ist Zentralasien eine Region von großer strategischer Bedeutung. Seine großen Öl- und Gasreserven und seine Nachbarschaft zu Afghanistan haben Zentralasien stärker in den Fokus internationaler Interessen gerückt. Aber was ist dagegen einzuwenden, wenn sich die europäische Außenpolitik auch um die Sicherheit der Energieversorgung kümmert? Und was spricht dagegen, wenn die EU sich in der engsten Nachbarschaft von Afghanistan um regionale Stabilität bemüht. Die Zentralasienstratege berücksichtigt diese Punkte, beschränkt sich aber nicht auf die Themen Energie und Afghanistan, vielmehr umschließt sie einen Menschenrechts- und Rechtsstaatsdialog, Ausbildungs- und Stipendienprogramme, die Erarbeitung einer nachhaltigen Umwelt- und Wasserpolitik für die Region, den gegenseitigen Abbau von Handelshemmnissen und eine intensive Kooperation im Sicherheitsbereich zum Kampf gegen Drogen-, Menschen- und Waffenhandel.

Die Einschätzungen, nachdem es keine Fortschritte im Menschenrechtsdialog gegeben hätte, teile ich nicht. Der Vorwurf, die Bundesregierung schaue bei Menschenrechtsverletzungen weg, ist schlichtweg falsch! Wir sind uns alle einig, dass es sich bei den zentralasiatischen Staaten nicht um Demokratien westeuropäischen Standards handelt, dennoch sind positive Entwicklungen zu verzeichnen. So hat der Menschenrechtsdialog 2008 mit allen fünf Partnern in einer ersten Runde stattgefunden- bei dem unter besonderer Aufmerksamkeit stehenden Usbekistan sogar schon mit einem zweiten Treffen und ersten Erfolgen wie Abschaffung der Todesstrafe, Anerkennung des Habeas-Corpus-Grundsatzes, Wiederzulassung des Internationalen Roten Kreuzes zu Gefängnisbesuchen und der Freilassung einiger politischer Gefangener. Auf dieser Basis wurden die EU-Sanktionen, welche nach der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste im Mai 2005 gegen Usbekistan verhängt wurden, im Herbst gelockert, wobei das Waffenembargo fortbesteht. Wir geben uns auch mit dem bisher Erreichten nicht zufrieden und sprechen die Defizite offen an. Aber weitere Erfolge werden wir nur im Gespräch mit den Verantwortlichen erreichen. Das ist oft sehr mühsam und dauert auch seine Zeit. Große öffentliche oder mediale Empörung - das ist vielleicht gut für das eigene Gewissen, bleibt aber in den meisten Fällen folgenlos.

Nun möchte ich kurz auf das andere von MONITOR angeführte Beispiel, Angola, zu sprechen kommen. Von einem Dissens zwischen Außenministerium und dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist mir nichts bekannt. Es gab natürlich Diskussionen darüber, ob ein so reiches Land wie Angola Entwicklungshilfe überhaupt notwendig hat. Die problematische Menschenrechtssituation ist natürlich bekannt. Angola ist bereits seit letztem Jahr sogenanntes Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Die entsprechenden Programme werden derzeit aber erst erarbeitet. Da Angola aus Einnahmen aus dem Erdölsektor über ausreichend Kapital verfügt, wird es jedoch keine finanzielle Zusammenarbeit geben, sondern nur eine Technische Zusammenarbeit. Diese wird sich aller Wahrscheinlichkeit konzentrieren auf die Berufliche Bildung, Unterstützung privater Wirtschaftskontakte, Stipendien und Vermittlung von technischer Expertise für den Wirtschaftsaufbau gegen Bezahlung aus angolanischen Haushaltsmitteln.

Zum jetzigen Zeitpunkt wird nur Technische Zusammenarbeit in ganz begrenztem Umfang durchgeführt, die laufenden Vorhaben sind ausgerichtet auf die Wiederansiedlung von intern Vertriebenen und demobilisierten Soldaten sowie auf die medizinische Versorgung Körperbehinderter und deren Eingliederung in die Gesellschaft, andere kleinere Projekte haben den Charakter von Nothilfe. Daran kann ich absolut nichts Verwerfliches finden.

Ich hoffe, Ihre Frage zumindest im Ansatz beantwortet zu haben, und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Gernot Erler