Frage an Gernot Erler von Eva S.
Hallo Herr Erler,
die EU-Kommission hat dreht die Subventionsspirale in Rekordhöhe: 35 Jahr garantierte Einspeisevergütung für Atomstrom aus Hinkleypoint C. Mich hat es beeindruckt, dass die Österreichische Regierung zu ihrem Bekenntnis gegen die Atomenergie steht, dass Ihre Kollegen dort Rückgrat beweisen und eine Nichtigkeitsklage vor dem EuGH anstrengen. Dass die Bundesregierung trotz anders lautender Lippenbekenntnisse nichts in dieser Angelegenheit unternimmt, ist zwar traurig, jedoch nicht überraschend. Schließlich weist die EEG-Novelle in dieselbe Richtung.
Dass die große Koalition jedoch (bis auf die Enthaltung von Josef Göppel) unisono den Antrag ablehnt, sich den Österreichern anzuschließen, finde ich beschämend.
Ich bin gespannt auf Ihre Erklärung, warum Sie namentlich gegen den Antrag gestimmt haben. Warum Sie es also ablehnen, die Klage der Österreichischen Regierung gegen die exorbitanten Atomsubventionen zu unterstützen.
Mit freundlichem Gruß,
Eva Stegen
Sehr geehrte Frau Stegen,
gerne lege ich Ihnen dar, warum die SPD-Bundestagfraktion den Antrag der Fraktion DIE LINKE „Aktiv gegen Subventionen für den Neubau von Atomkraftwerken in der EU“ und den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Subventionen für britisches Atomkraftwerk Hinkley Point C stoppen und rechtliche Schritte einlegen“ in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 02.07.2015 abgelehnt hat:
Wenn Deutschland nicht gegen die Entscheidung der EU-Kommission zur Genehmigung der Beihilfe für Hinkley Point C klagt, ist darin keine Unterstützung von Atomenergie zu sehen. Genauso wenig liegt in der Ablehnung entsprechender Bundestagsanträge eine Abwendung vom notwendigen Atomausstieg vor.
Der Atomausstieg in Deutschland ist für mich unumkehrbar. Mit der SPD setze ich mich sowohl national als auch europäisch und international für den Ausstieg aus der Atomenergie, den Umstieg auf Erneuerbare Energien sowie für mehr Energieeffizienz ein. Der europäische Atomausstieg ist insofern eine politische Aufgabe, die nicht über einen beihilferechtlichen Klageweg auf den EuGH abgewälzt werden kann und sollte.
Im Einzelnen zu den genannten Bundestagsanträgen:
Ende 2014 hat die EU-Kommission die nationalen Beihilfen, die die britische Regierung für Hinkley Point C vorsieht, genehmigt. Mit den genannten Anträgen wird Deutschland aufgefordert, gegen die Entscheidung der EU-Kommission beim EuGH zu klagen.
Die von der britischen Regierung für Hinkley Point C vorgesehene Förderung ist unbestritten eine Beihilfe. Das EU-Beihilferecht gesteht der EU-Kommission über Art. 107 EUV weite Ermessensspielräume für die Genehmigung von Beihilfen zu. Die Beihilfe-Genehmigung der EU-Kommission ist nach Einschätzung der von Seiten der SPD im Rahmen der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am 17. Juni 2015 benannten Sachverständigen nicht offenkundig rechtsfehlerhaft. Diese Einschätzung wird auch von der Bundesregierung geteilt.
Eine Klage gegen die Entscheidung der EU-Kommission erhielte insbesondere vor diesem Hintergrund eine politische Dimension, zumal hiermit auf die britische Entscheidung über die Ausgestaltung ihres Energiemixes eingegangen wird. Nach Art. 194 EUV ist es das Recht der Mitgliedstaaten über ihren Energiemix zu entscheiden. Deutschland hat bei der Förderung Erneuerbarer Energien stets – zu Recht – die nationale energiepolitische Entscheidungskompetenz betont. Dieser Maßstab sollte auch für den Umgang mit den Energiepolitiken anderer Mitgliedstaaten gelten - auch wenn uns das nicht gefällt. Mit der Beihilfe-Entscheidung zu Hinkley Point C hat die EU-Kommission einen weitergehenden Förderrahmen erlaubt, als sie etwa für Erneuerbare Energien in den (für die Mitgliedsstaaten nicht-verbindlichen) Energie-Beihilfeleitlinien vorgesehen sind. Vor diesem Hintergrund und auch, weil sich die EU gemeinsam auf den Ausbau Erneuerbarer Energien verständigt hat, muss zukünftig erst recht ein breiterer Handlungsspielraum bei der Gestaltung von Fördersystemen für Erneuerbare Energien möglich sein.
Klar ist aber auch, dass es eine europäische Förderung für den Neubau von Atomkraftwerken aus öffentlichen Geldern nicht geben darf. In den Beratungen zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) haben sich zuerst Bundesminister Sigmar Gabriel und dann auch die gesamte Bundesregierung explizit gegen eine Aufnahme der Förderung von Kernkraftwerken ausgesprochen. Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie auch im Rahmen weiterer Diskussionen zu den Einzelbausteinen der Energie-Union eine EU-Förderung oder gar einen europäischen Förderrahmen für Kernkraftwerke entschieden ablehnen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Gernot Erler